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Das Hirsauer Priorat Schönrain am Main

Dr. Waldemar Weigand - Teil 1 | Heft 2

Schriftenreihe zur Geschichte der Stadt Lohr, des Spessarts und des angrenzenden Frankenlandes

Dem besten Kenner von Land und Leuten des Spessarts dem verdienten Präsidenten des Spessartbundes, meinem lieben Onkel Herrn Sanitätsrat Dr. H. Hönlein in Dankbarkeit und Verehrung gewidmet.

5chönrain am Main (1084-1544)

Ein Beitrag zur Geschichte des östlichen Spessarts
und des angrenzenden Frankenlandes

(Teildruck)

lnaugural-Dissertation

der Hohen Philosophischen Fakultät
der Julius-Maximilians-Universität Würzburg
zur Erlangung der Doktorwürde

vorgelegt von

Studienrat Waldemar Weigand

aus Lohr am Main

1951

Druck und Verlag C. Keller, Lohr am Main
Alle Rechte vorbehalten

Es war ursprünglich beabsichtigt, die Geschichte der geistlichen und weltlichen Herrschaft S c h ö n r a i n gemeinsam zu behandeln; im Laufe der archivalischen Vorarbeiten hat sich jedoch aus der klö­sterlichen Vergangenheit genügend Quellenstoff vorgefunden, der eine selbständige Darstellung dieses Zeitabschnittes rechtfertigen dürfte.

In Dankbarkeit gedenke ich aller, die mir beim Zustandekommen dieser Dissertation behilflich waren; mein besonderer Dank gilt Herrn Professor Dr. Wilhelm Engel für die vielfache Förderung der Arbeit, Herrn Professor Dr. Michael Seidlmayer für wertvolle Anregungen sowie den Herrn Archivräten Dr. P. Schöffel, Würzburg, und Dr. P. J. Frauendorfer, Würzburg, für freundliche Hinweise und Ratschläge. Ebenso bin ich allen in Frage kommenden Archiven zu Dank verpflichtet, insbesondere den Staatsarchiven Würzburg, Mün­chen und Stuttgart sowie dem Fürstlich Ysenburgischen Archiv zu Büdingen.

Bei dem Umfang der Dissertation konnte vorerst nur ein Teildruck erstellt werden, wobei die Kapitel über die weitere Geschichte Schönrains (II. 2), die klösterlichen Lebensformen (II, 3), den Ver­kauf Schönrains an die Grafen von Rieneck (II, 4) sowie der besitz­geschichtliche Teil (III, 1: Übersicht; 2: Ortsverzeichnis; 3: Schönrainer Zinsregister; 4: Karten), ferner der gesamte Anhang – mit Ausnahme der Tabula Documentorum – unberücksichtigt blieben.

Der Lohrer Schriftenreihe sei es vorbehalten. die Fortsetzung dieser Dissertation im Laufe des nächsten Jahres folgen zu lassen. Das Literatur- und Abkürzungsverzeichnis bezieht sich auf die gesamte Arbeit; es ist zugleich für die weiteren Kapitel einschlägig.

Mit diesem Druck wird zum ersten Mal – unter Angabe der Nach­weise – eine Auswertung rieneckischer Geschichtsquellen veröf­fentlicht, die von dem Verfasser, zusammen mit einer beträchtlichen Anzahl anderer rieneckischer Archivalien, nach fast 200-jähriger Vergessenheit im November 1945 an den ysenburgischen Archiven zu Büdingen und Birstein überraschend wiederentdeckt wurden.

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Im nordöstlichen Gebiete des Mainvierecks, gegenüber der Bahnstation Neuendorf, in der Mitte der Bahnstrecke Würzburg-Aschaffenburg, schimmern die Ruinen des Schlosses Schönrain aus ragender Bergeshöhe ins Maintal hinunter. Ihre wohlerhaltenen Überreste krönen den Bogen des dichtbewaldeten Linksmainischen Höhenzuges, der hier in scharfer Wendung ostwärts in ein Seitental einschwenkt.
Trotzige Mauern und Giebel künden von den wechselvollen Schicksalen dieses rieneckischen Renaissance-Gebäudes; nur wenige Spuren aus romanischer Zeit erinnern an die klösterliche Vergangenheit dieser Stätte, die in ihren Beziehungen zum Geschlechte der thüringischen Landgrafen wie zur kluniazensischen Bewegung weit über die Grenzen der engeren Heimat hinausweist.

Die Aufgabe vorliegender Arbeit ist es, einen bescheidenen Beitrag zu leisten zur landesgeschichtlichen Erforschung des östlichen Spessarts und des angrenzenden Frankenlandes mit der zweifachen Zielsetzung: die Eigenart dieser unterfränkischen Landschaft zu erkennen sowie ihre Verbindung zur gesamtdeutschen Geschichte aufzuzeigen. Zu diesem Zwecke bietet die historische Betrachtung der kleinsten Geschichtszellen geistlicher und weltlicher Prägung die beste Grundlage.
Naturgemäß kommen die Ergebnisse dieser landesgeschichtlich eng umgrenzten Arbeit in erster Linie der Heimatgeschichte zugute, was in der Bedeutung eines Klosters als Mittelpunkt eines Herrschaftsbezirkes für die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung seiner Umgebung begründet liegt. In Urkunden und Zinsregistern finden sich wertvolle Hinweise orts- und familiengeschichtlicher Art, besonders auch für die Geschichte des einheimischen Adels, es kommen darin Wüstungen und Flurnamen vor, die großenteils sonst nirgends bezeugt sind. Von landesgeschichtlicher Bedeutung im weiteren Sinne sind einige Schönrainer Weistümer, in denen sich die ländliche Wirtschaftsordnung und rechtliche Verfassung, der Hochstand und die Bedrückung eines bäuerlichen Kulturkreises im mittelalterlichen Franken, widerspiegeln.

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Daneben ergeben sich allgemein-geschichtliche Gesichtspunkte verfassungs- und kirchenrechtlicher Natur, – z. B. bei der Darlegung des Verhältnisses wischen Vogt und Kloster oder zwischen Mutter-Kloster und Priorat -, die interessante Rückschlüsse auf die Organisation der kluniazensisch-hirsauischen Reformbewegung vermitteln.
Darüber hinaus hat die Arbeit zwei Nahtstellen zur deutschen Geschichte aufzuweisen, die von besonderer Bedeutung sind:
In der thüringischen Geschichtsschreibung hat die Klostergründung auf Schönrain bei der Frage nach dem dunklen Ursprung der Landgrafen von Thüringen seit jeher eine große Rolle gespielt. Die kritische Untersuchung der Motive. die zur Stiftung der Schönrainer Cella führten, lässt Berührungspunkte zu maßgebenden Persönlichkeiten und politischen Impulsen des Investiturstreites erkennen, während sie im matten Zwielicht sagenhafter Überlieferung ein blutiges Verbrechen auf dem bewegten Hintergrunde des XI. Jahrhunderts abzeichnet.
In der Beziehung zu Hirsau tritt mit dem Priorat Schönrain die weitreichende Ausstrahlung einer Bewegung zutage, die – doppelt gefährlich in ihrer religiösen Verbrämung – geistesgeschichtlich als erster Einbruch des französischen Rationalismus, politisch als Vorstoß gregorianischer Ideen in mönchischem Gewande zu deuten ist.
Durch die maßlose Überspitzung ihrer Reformbestrebungen waren vorübergehend die wichtigsten Grundlagen der mittelalterlichen Kultur in Südwestdeutschland ernsthaft bedroht. indem sie ihre Wirksamkeit weit über die Bezirke des klösterlichen Lebens ausdehnte, in aller Öffentlichkeit zum Kampf gegen die staatlichen Gewalten des deutschen Königtums aufrief und die Forderung nach Auflösung der engsten menschlichen Bindungen erhob.
Damit ist die Frage nach dem Sinn dieser Dissertation beantwortet.
Ihre Fertigstellung war infolge der zerstreuten und – trotz verschiedener Funde – lückenhaften quellenmäßigen Überlieferung mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden.

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