Das Hirsauer Priorat Schönrain am Main
Dr. Waldemar Weigand - Teil 1 | Heft 2
Schriftenreihe zur Geschichte der Stadt Lohr, des Spessarts und des angrenzenden Frankenlandes
Dem besten Kenner von Land und Leuten des Spessarts dem verdienten Präsidenten des Spessartbundes, meinem lieben Onkel Herrn Sanitätsrat Dr. H. Hönlein in Dankbarkeit und Verehrung gewidmet.
5chönrain am Main (1084-1544)
Ein Beitrag zur Geschichte des östlichen Spessarts
und des angrenzenden Frankenlandes
(Teildruck)
lnaugural-Dissertation
der Hohen Philosophischen Fakultät
der Julius-Maximilians-Universität Würzburg
zur Erlangung der Doktorwürde
vorgelegt von
Studienrat Waldemar Weigand
aus Lohr am Main
1951
Druck und Verlag C. Keller, Lohr am Main
Alle Rechte vorbehalten
Es war ursprünglich beabsichtigt, die Geschichte der geistlichen und weltlichen Herrschaft S c h ö n r a i n gemeinsam zu behandeln; im Laufe der archivalischen Vorarbeiten hat sich jedoch aus der klösterlichen Vergangenheit genügend Quellenstoff vorgefunden, der eine selbständige Darstellung dieses Zeitabschnittes rechtfertigen dürfte.
In Dankbarkeit gedenke ich aller, die mir beim Zustandekommen dieser Dissertation behilflich waren; mein besonderer Dank gilt Herrn Professor Dr. Wilhelm Engel für die vielfache Förderung der Arbeit, Herrn Professor Dr. Michael Seidlmayer für wertvolle Anregungen sowie den Herrn Archivräten Dr. P. Schöffel, Würzburg, und Dr. P. J. Frauendorfer, Würzburg, für freundliche Hinweise und Ratschläge. Ebenso bin ich allen in Frage kommenden Archiven zu Dank verpflichtet, insbesondere den Staatsarchiven Würzburg, München und Stuttgart sowie dem Fürstlich Ysenburgischen Archiv zu Büdingen.
Bei dem Umfang der Dissertation konnte vorerst nur ein Teildruck erstellt werden, wobei die Kapitel über die weitere Geschichte Schönrains (II. 2), die klösterlichen Lebensformen (II, 3), den Verkauf Schönrains an die Grafen von Rieneck (II, 4) sowie der besitzgeschichtliche Teil (III, 1: Übersicht; 2: Ortsverzeichnis; 3: Schönrainer Zinsregister; 4: Karten), ferner der gesamte Anhang – mit Ausnahme der Tabula Documentorum – unberücksichtigt blieben.
Der Lohrer Schriftenreihe sei es vorbehalten. die Fortsetzung dieser Dissertation im Laufe des nächsten Jahres folgen zu lassen. Das Literatur- und Abkürzungsverzeichnis bezieht sich auf die gesamte Arbeit; es ist zugleich für die weiteren Kapitel einschlägig.
Mit diesem Druck wird zum ersten Mal – unter Angabe der Nachweise – eine Auswertung rieneckischer Geschichtsquellen veröffentlicht, die von dem Verfasser, zusammen mit einer beträchtlichen Anzahl anderer rieneckischer Archivalien, nach fast 200-jähriger Vergessenheit im November 1945 an den ysenburgischen Archiven zu Büdingen und Birstein überraschend wiederentdeckt wurden.
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Im nordöstlichen Gebiete des Mainvierecks, gegenüber der Bahnstation Neuendorf, in der Mitte der Bahnstrecke Würzburg-Aschaffenburg, schimmern die Ruinen des Schlosses Schönrain aus ragender Bergeshöhe ins Maintal hinunter. Ihre wohlerhaltenen Überreste krönen den Bogen des dichtbewaldeten Linksmainischen Höhenzuges, der hier in scharfer Wendung ostwärts in ein Seitental einschwenkt.
Trotzige Mauern und Giebel künden von den wechselvollen Schicksalen dieses rieneckischen Renaissance-Gebäudes; nur wenige Spuren aus romanischer Zeit erinnern an die klösterliche Vergangenheit dieser Stätte, die in ihren Beziehungen zum Geschlechte der thüringischen Landgrafen wie zur kluniazensischen Bewegung weit über die Grenzen der engeren Heimat hinausweist.
Die Aufgabe vorliegender Arbeit ist es, einen bescheidenen Beitrag zu leisten zur landesgeschichtlichen Erforschung des östlichen Spessarts und des angrenzenden Frankenlandes mit der zweifachen Zielsetzung: die Eigenart dieser unterfränkischen Landschaft zu erkennen sowie ihre Verbindung zur gesamtdeutschen Geschichte aufzuzeigen. Zu diesem Zwecke bietet die historische Betrachtung der kleinsten Geschichtszellen geistlicher und weltlicher Prägung die beste Grundlage.
Naturgemäß kommen die Ergebnisse dieser landesgeschichtlich eng umgrenzten Arbeit in erster Linie der Heimatgeschichte zugute, was in der Bedeutung eines Klosters als Mittelpunkt eines Herrschaftsbezirkes für die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung seiner Umgebung begründet liegt. In Urkunden und Zinsregistern finden sich wertvolle Hinweise orts- und familiengeschichtlicher Art, besonders auch für die Geschichte des einheimischen Adels, es kommen darin Wüstungen und Flurnamen vor, die großenteils sonst nirgends bezeugt sind. Von landesgeschichtlicher Bedeutung im weiteren Sinne sind einige Schönrainer Weistümer, in denen sich die ländliche Wirtschaftsordnung und rechtliche Verfassung, der Hochstand und die Bedrückung eines bäuerlichen Kulturkreises im mittelalterlichen Franken, widerspiegeln.
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Daneben ergeben sich allgemein-geschichtliche Gesichtspunkte verfassungs- und kirchenrechtlicher Natur, – z. B. bei der Darlegung des Verhältnisses wischen Vogt und Kloster oder zwischen Mutter-Kloster und Priorat -, die interessante Rückschlüsse auf die Organisation der kluniazensisch-hirsauischen Reformbewegung vermitteln.
Darüber hinaus hat die Arbeit zwei Nahtstellen zur deutschen Geschichte aufzuweisen, die von besonderer Bedeutung sind:
In der thüringischen Geschichtsschreibung hat die Klostergründung auf Schönrain bei der Frage nach dem dunklen Ursprung der Landgrafen von Thüringen seit jeher eine große Rolle gespielt. Die kritische Untersuchung der Motive. die zur Stiftung der Schönrainer Cella führten, lässt Berührungspunkte zu maßgebenden Persönlichkeiten und politischen Impulsen des Investiturstreites erkennen, während sie im matten Zwielicht sagenhafter Überlieferung ein blutiges Verbrechen auf dem bewegten Hintergrunde des XI. Jahrhunderts abzeichnet.
In der Beziehung zu Hirsau tritt mit dem Priorat Schönrain die weitreichende Ausstrahlung einer Bewegung zutage, die – doppelt gefährlich in ihrer religiösen Verbrämung – geistesgeschichtlich als erster Einbruch des französischen Rationalismus, politisch als Vorstoß gregorianischer Ideen in mönchischem Gewande zu deuten ist.
Durch die maßlose Überspitzung ihrer Reformbestrebungen waren vorübergehend die wichtigsten Grundlagen der mittelalterlichen Kultur in Südwestdeutschland ernsthaft bedroht. indem sie ihre Wirksamkeit weit über die Bezirke des klösterlichen Lebens ausdehnte, in aller Öffentlichkeit zum Kampf gegen die staatlichen Gewalten des deutschen Königtums aufrief und die Forderung nach Auflösung der engsten menschlichen Bindungen erhob.
Damit ist die Frage nach dem Sinn dieser Dissertation beantwortet.
Ihre Fertigstellung war infolge der zerstreuten und – trotz verschiedener Funde – lückenhaften quellenmäßigen Überlieferung mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden.
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Neben den unmittelbaren Quellen bietet die Überlieferung nur wenig Material zur Geschichte Schönrains, da uns keine Fundations- und Traditionsbucher wie aus anderen Hirsauer Klöstern 1) erhalten blieben. Wir sind in dieser Beziehung im Wesentlichen auf einige zerstreute Einzelangaben des Codex Hirsaugiensis und der Annalen Trithems angewiesen.
Bedeutsam für die Frühzeit der Cella sind drei vereinzelte Mitteilungen, die der Codex Hirsaugiensis *) über den Streubesitz des Klosters im 12. Jahrhundert enthält (Fol. 30b, 52b, 70a), außerdem finden sich noch zwei Nachrichten über Schönrain auf Fol. 9b und 65a. Letztere ist wichtig als Auszug aus der verlorengegangenen Gründungsurkunde (Terminus ad quem: 1084. März 31); Fol. 65a und 70a wurden bisher für die Geschichte Schönrains noch nicht verwertet.
Das Verzeichnis der Hirsauer Tradition gilt als einwandfreie, allseits anerkannte Geschichtsquelle, die zu Beginn des XIII. Jahrhunderts abgeschlossen wurde (Codex Hirsaug., Praef. p. VI), in einzelnen Partien aber auf ältere Aufzeichnungen aus den Zeiten der Abte Bruno (1105-1120) und Gebhard (1091-1105) zurückgeht. 3) das betrifft die am Schluss die aufgeführten Schenkungen, – darunter Fol. 65a und 70a 4) -, während die Schenkungen von Fol. 30b und 52b etwa auf die Mitte des XII. Jahrhunderts zu beziehen sind.
Mit größerer Vorsicht sind die vereinzelten Angaben zu beurteilen, die Johannes Trithemius in seinen Hirsauer Annalen 5) als Beitrag zur Geschichte der Hirsauer Klöster von Schönrain überliefert 6)
1) Die bekanntesten, zumeist aus dem 12. Jh. stammenden Traditionsbücher Hirsauer Klöster sind die von Zwiefalten, Petershausen St. Georgen, Reichenbach, St. Peter im Schwarzwald und Komburg. – vgl. Helmsdörfer, a. a O. 11 ff.
2) Handschrift aus dem Anfang des 16. Jh. im W.ST.A.ST. -Druck: WGQu. I (1887), 7 ff.
3) Helmsdörfer, a. a. 0. 4 ff.
4) a. a. 0. 5. – Vgl. dazu Ewald, P.: Besprechung des Helmsdörfer Werkes (Histor. Zschr.. Bd. 34, 1875. 413): ferner Sußmann a. a. 0. 10
5) Trithemius, Joh.: Ann. Hirs. – Die Ann. Hirs. sind eine Neubearbeitung der unvollendeten ersten Arbeit Trithems (Chronicon insigne Hirsaugiense), sie wurden 1514 abgeschlossen. – Helmsdörfer, a. a. 0. 31 / Anm. 1.
6) Ann. Hirs. I, 256, 213, 304, 406; 11, 408, 691.
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es sprechen jedoch verschiedene triftige Gründe dafür, dass dem berühmten Abte des Würzburger Schottenklosters in unserem Falle eine erheblich höhere Glaubwürdigkeit zuzubilligen ist, als er sonst im allgemeinen zu beanspruchen hat 7), ganz abgesehen davon, dass Helmsdörfer, der die Annales Hirsaugienses als völlig unbrauchbar für die historische Benutzung bezeichnet 8), in seiner abfälligen Kritik bei dem Fehlen eingehender quellenkundlicher Untersuchungen – zumal für die Zeit Wilhelms – entschieden zu weit gegangen sein dürfte 9). Soweit die Mitteilungen Trithems über Schönrain nachprüfbar sind, läßt sich jedenfalls eine absolute Übereinstimmung mit den unmittelbaren Quellen feststellen; das betrifft insbesondere die Gründungsnotiz 10) sowie die Nachrichten über den Besuch des Abtes Wolfram auf Schönain 11), ferner die genaue und richtige Charakterisierung der rechtlichen Stellung des Priorats 12). Die persönlich gefärbte Lobpreisung der „anmutigen und gesunden“ Lage Schönrains legt die Vermutung nahe, dass Trithem das Schönrainer Filialkloster aus eigener Anschauung kannte. Auf seiner Reise von Sponheim nach Würzburg in den letzten September- oder ersten Oktobertagen des Jahres 1516 14) mag ihn wohl sein Weg über Schönrain geführt haben.. Mit Bestimmtheit können wir jedenfalls annehmen, dass er mindestens in Hirsau Gelegenheit hatte, zuverlässige Nachrichten der Schönrainer mündlichen Überlieferung zu sammeln, da gleichzeitig mit ihm bis zum Jahre 1506 wenigstens ein Schönrainer Prior – Johannes Rot(t) – als Mönch im Mutterkloster lebte, mit zwei anderen (Anastasius von Ohningen, Kaspar von Rottenburg) könnte er persönlich bekannt gewesen sein 15).
Jedenfalls ist ein Widerspruch zu der mündlichen Tradition der Cella unwahrscheinlich, nachdem zur Zeit der Beendigung seiner Annalen noch vier Schönrainer Prioren lebten 16) und – wie bereits hervorgehoben – auch sonst kein Widerspruch zur schriftlichen Überlieferung Schönrains nachweisbar ist.
Außer dem Codex Hirsaugiensis und den Annalen Trithems ließen sich aus der allgemeinen Tradition des Mutterklosters keine weiteren Quellen zur Geschichte Schönrains ermitteln. Vereinzelte Erwähnungen späterer Historiker, wie bei Crusius 17) über die Gründung
7)Helmsdörfer, a. a. 0. 30 f., 56 ff., daselbst weitere Literaturangaben.
8)a. a. 0. 58. .
9) Vgl. ADB., Bd. 38, 626 ff. (,,Annales. inhaltlich gemischt, gleichwohl nicht ohne Wert, der freilich in jedem einzelnen Falle jedes Mal erst faktisch festgelegt werden muss.”) – Selbst Wolf, P. („De fontibus a Trithemio in prima parte Chronici Hirsaugiensis adhibitis” Halle 1867) gibt ein Zurücktreten der willkürlichen Erfindungen Trithems für das 11. und 12. Jh. zu.
10) An,n. Hirs. I, 304, 406.
11)a. a. 0.. 11. 408.
12) Chron. HITS., 100.
13)Ann Hirs. I, 304.
14) ADB., Bd. 38, 626 ff.
15) Ann. Hirs. 11, 691.
16)a. a. 0.
17) Crusius (a. a. O., 11, 219 schöpft aus Trithem., bezüglich seiner Kenntnis von der Schenkung Schönrains an Hirsau aus Parsimonius.
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und Vollendung der Cella, bei Gropp 18) über Prior Adelhelm, gehen unmittelbar auf Trithem zurück.
Anders verhält es sich mit einigen Angaben über Schönrain in ,,Fabricii collectianes circa monasteria 0. S. B. Franconiae 19) , einer der beiden Verfasser dieses Manuskripts scheint die Wertheimer Urkunden (13. Jahrh.) sowie einige andere Urkunden Schönrains (14. Jahrh.) gekannt zu haben. Trotzdem sind die Notizen dieser Handschrift über Schönrain sehr dürftig und fehlerhaft. Gerbert 20), der – wenn auch unter weitgehender Anlehnung an Trithem – auf die fortgesetzten Streitigkeiten zwischen Hirsau-Schönrain und Rieneck Bezug nimmt, hatte vermutlich Einblick indie betreffenden Urkunden des Hirsauer Archivs, nachdem seine Darstellung in einigen Punkten über die Überlieferung Trithems hinausgeht 21).Ussermanns 22) Nachrichten über Schönrain beschränken sich hinsichtlich der Gründungsgeschichte sowie der rechtlichen Charakterisierung des Priorats vollständig auf die Quelle der Annalen Trithems, während sich seine Angaben über die weitere Geschichte Schönrains – von 1304 bis zum Übergang an Rieneck – in regestenartigen Notizen, mit Abhängigkeit nach Auswahl und Reihenfolge von den zitierten Gudenischen Urkundenpublikationen, erschöpfen.
Die Diplomata Rienecciana Gudens 23) enthalten überhaupt die einzige zusammenhängende Veröffentlichung Schönrainer Urkunden.
Die Drucke gehen fast durchweg 24) auf die heute noch vorhandenen Originale des Fürstlich Ysenburgischen Archivs zu Büdingen zurück;
zwei der Büdinger Originalurkunden scheint Guden nicht gekannt zu haben.
Eine kleine Anzahl schönrainischer Regesten findet sich zerstreut mit verschiedenen Fehlern unter den Hirsauer Regesten von Hafner 26), sowie – ebenfalls teilweise fehlerhaft – unter Wielands rieneckischen Regesten 27). Bezüglich der übrigen, vielfach zerstreuten Regesten- und Urkundenpublikationen zur Geschichte Schönrains
18) Gropp, a.,a. O., 79.
19) „Manuscriptum chartaceum in folio et quarto” (von Joh. Wolfgang aus Windsheim, t 1664, und Franz Fabricius, t 1691), f. 465 ff. – Handschr.-Slg.
der Universitätsblibliothek Würzburg.
20) Gerbert, a. a. O., 11, 252 ff.
21) Gerbert kannte anscheinend die Hirs. Urkk. von 1453, 1467 U. 1477; vgl. T. D.
22)Ussermann, a. a. O., 439 f.
23) Guden., V, 344 ff. – Einige Schönrainer Urkk. sind als Beilagen gedruckt
bei Christmann (a. a. O., 309 ff., 395 ff.) und als Anhang zur Abhandlung von H. – K. (AU. XXV, 501 ff.):.
24) Eine Ausnahm’e bildet die Schonauer Urk. mit schönrainer Bezügen von 1361, April 30 – ,,Dispositio Adelheidis de Rieneck Abbatissae Coenobii Schoenaugiensis de bonis suis” – (vgl. T. D.) wobei Guden anscheinend die Abschrift im rieneckischen Kopialbuch (~r.’9574 f. 59) des 1s. A. BIRST. verwertet hat; vgl. Guden., V, 364 (~andbemerkdng): Ex copia antiqua”.
25) Guden scheint die beiden Urkk. von 1167, Nov. 17 und 1487, Feb. 22, die sich zu Büdingen befinden (vgl. T. D.), nicht gekannt zu haben. Von diesen Urkk. sind Doppelausfertigungen im W. ST. A. ST. vorhanden.
26) a. a,. 0.
27) a. a. 0.
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wird auf die Zusammenstellung der Tabula Documentorum verwiesen. An dieser Stelle möchte ich lediglich die besten Drucke der beiden ältesten Schönrainer Urkunden – von 1139 und 1159 besonders anführen: Württembergisches Urkundenbuch II,5-7 für die Urkunde von 1139, Februar 28) – Monumenta Boica 46, 819, no. I1 für die Urkunde von 1159 29).
Das Original von 1139 liegt im Württembergischen Staatsarchiv Stuttgart 30) Ernste Zweifel an der Echtheit dieser vielbeachteten Urkunde sind bisher in der Literatur trotz eingehender Untersuchung des Diploms nicht aufgetaucht 31), wenn auch in jüngster Zeit – wohl noch unter dem Eindruck der Entdeckung der großangelegten
Reinhardsbrunner Fälschungen 32) einige nicht näher begründete Bedenken geäußert wurden 33), die m. E. mehr durch den Schriftcharakter als durch das Diktat der Ausfertigung entstanden sind.
Die Urkunde von 1159 – Original im Bayerischen Hauptstaatsarchiv München34) – nimmt sowohl nach dem Stil als auch nach dem paläographischen Erscheinungsbild unter den wenigen Würzburger Bischofsurkunden aus jeher Zeit eine isolierte Stellung ein 35), was jedoch bei dem Fehlen inhaltlich gerechtfertigter Verdachtsmomente mit Empfängerausfertigung hinreichend erklärt sein dürfte.
Die Bearbeitung der archivarischen Quellen war infolge der außergewöhnlichen Zersplitterung der Schönrainer Archivalien sehr umständlich und zeitraubend. Die gründliche Erfassung des archivarischen Materials, das über 18 verschiedene Archive zerstreut ist, war erst nach jahrelangen Forschungen möglich, deren Abschluss durch den Krieg lange unterbrochen war.
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Im Gros der archivarischen Überlieferung lassen sich deutlich drei verschiedene Gruppen unterscheiden:
I. Die Stuttgarter Gruppe:
Dazu rechnen die Archivalien, die nach dem Verkauf Schönrains – entgegen den Abmachungen des Kaufvertrages – weiterhin in Hirsau verblieben und von dort aus nach der Säkularisation der Abtei (1558) vom Württembergischen Staatsarchiv Stuttgart übernommen wurden; diese Bestände haben sich wohl seit jeher im Archiv des Mutterklosters befunden; es ist nicht anzunehmen, dass sie erst nach der Flucht der Mönche vor den aufständischen Bauern aus der Repositur des Priorats auf dem Umweg über das rieneckische Archiv zu Lohr nach Hirsau verbracht wurden. Es handelt sich dabei um 7 Originale im Büschel 77, um 4 Originale im Büschel 77a sowie um 1 Original im Büschel 60, das nachträglich vorgefunden wurde.
Dazu gehört ferner ein Kopialheft (im Büschel 77a) von 20 Blättern, das 6 Abschriften enthält.
28) Ältere Drucke: Trithem., Ann. Hirs. I, 406 K. – Usserm., Cod. prob., 33 L – Gedr. Reg.: Vgl. T. D.
29) Ältere Drucke: Joannis, a. a. O., 446 ff. – Guden., Syll., 573 ff. – Gedr. Reg.: Vgl. T. Q.
30) vg1. T. D.
31) Die Urk. befand sich im Jahre 1938 vorübergehend im Reichsinstitut für altere deutsche Geschichtskunde in Berlin. Bei der damals angestellten genauen Untersuchung sind (laut Mitteilung des Reichsinstituts vom 26. iV. 1939) keine edenken bezüglich ihrer Echtheit aufgetaucht.
32) vgl. Naude, a. a. 0.; darüber zuletzt Brackmann, Zur Geschichte der Hirsauer Reformbewegung im 12. Jh.,
33) Diesbezügliche Bedenken wurden neuerdings ohne weitere Begründung von der Württemberg. Archivdirektion Stuttgart geäußert (Mitteilung V. 21.1.1941).
34) vgl.T. D.
35) Mitteilung von Dr. 0. Guglin – Wien (Haus-, Hof- U. St. A.) V. 29. X. 1938.
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II. Die Ysenburger Gruppe:
Ein anderer Teil der Hirsauer Archivalien Schönrains wurde beim Übergang der schönrainischen Besitzungen an Rieneck vertragsgemäß dem Grafen Philipp III. von Rieneck ausgehändigt. Der kleine Bestand der Schönrainer Repositur – darunter werden ausdrücklich Zinsregister erwähnt – der von den Schönrainer Konventualen vor dem Verlassen des Priorats (beim Ausbruch des Bauernkrieges) bei ihrem Vogt in Lohr sichergestellt wurde 36), scheint auf, die Reklamation des Abtes hin an das Kloster Hirsau zurückgegeben worden zu sein (Ende 1525 oder Anfang 1526), sonst hätte sich die ausdrücklich bezeugte Aushändigung von Zinsregistern beim Verkauf des Klosters an Rieneck erübrigt. Eine Anzahl von Schönrainer Urkunden waren mit Bestimmtheit bereits vorher im rieneckischen Archiv vorhanden, nachdem die Grafen von Rieneck Jahrhunderte lang in engster Beziehung zu Schönrain standen und als Schirmvögte des Priorats bei Geschäftshandlungen der Mönche häufig in Anspruch genommen wurden. Nach dem Aussterben des rieneckischen Geschlechtes (1559) kamen diese hirsauisch-rieneckischen Archivalien größtenteils – soweit sie nicht mit der Mehrzahl der rieneckischen Lehen an Mainz fielen – an ihre Erben und Nachfolger im Amte Schönrain, die Grafen von Ysenburg, von denen sie auf die beiden fürstlichen Archive zu Büdingen und Birstein verteilt wurden. Die 13 schönrainischen Originalurkunden aus der rieneckischen Erbschaft befinden sich im ysenburgischen Archiv zu Büdingen unter den Signaturen Nr. 327, 669, 1387, 1571, 1815, 2495, 2965. 3150, 3642, 3795, 5692, 5718; eine Kopie der Urkunde von 1159 aus dem 13. Jahrhundert unter Nr. 21. Verschiedene Einzelkopien sind im Fasz. 167 (Nr. 1159) sowie im Fasz. „Reichslehen Nr. 44″ (gebunden, ,,Würtzburgische Lehen-Acta” wegen Schönrain, 1435-1736) enthalten. Faszikel 44 umfaßt die gesamten Akten über den Prozeß gegen den Bischof von Würzburg wegen des Verkaufs von Schönrain. – Faszikel 167 (Nr. 1159, fol. 5) enthält U. a. die vollständige Abschrift des Zinsregisters, das von Abt Johann von Hirsau beim Verkauf des Klosters dem Grafen Philipp von Rieneck überreicht wurde (16 Blätter, davon 14 beschrieben, Format 12×31 cm).
36) ST. A. WBG., Adel 70/1262, f. 141.
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Im Faszikel 168 (Nr. 1168b, nicht repertorisiert) fanden sich die kompletten Schönrainer Zinsbücher der drei Jahrgänge 1510/11, 1511/12 und 1512/13 mit einem Pergamenteinband (Fragment eines Lektionars mit dazwischen geschriebenen Noten, die Rückseite ist abgeschnitten) zu einem Band zusammengeheftet, bestehend aus 152, meist doppelseitig, durchweg einspaltig beschriebenen Blättern vom Format 11X33 cm; 9 Blätter sind unbeschrieben, zwischen die Folien sind 40 beschriebene und einige unbeschriebene Einlage¬zettel eingebunden. Der I. Bestandteil, der „Liber censuum anni 1510 et il”, ist paginiert (fol. 1-49) mit Ausnahme der letzten 6 Blätter, von denen 5 für Ergänzungen freigelassen sind. Fol. 1 mit 21 ist durch Mäusefraß an den Seitenrändern der oberen Hälfte beschädigt. Auf den Deckblättern des II. und III. Bandes – „Registrum censuum fratris Caspar prioris zu Schonrein de anno 11 et 12 (bzw.) 12 et 13″ – bekennt sich der letzte Schönrainer Prior Kaspar (Rofer) ausdrücklich als Schreiber dieser Register. Nach dem Duktus der Einträge des ersten der drei Jahrgänge stammt auch das erste Zinsbuch von seiner Hand. Das zweite ist numeriert von Fol. 1-14; die weiteren Blätter dieses sowie sämtliche Blätter des folgenden Bandes sind nicht paginiert. Dem Liber censuum anni 1510/11 ist auf Fol. 1 ein Ortsverzeichnis vorangestellt; die darin angegebenen Seitenzahlen stimmen mit der Paginierung der Register überein. Diese drei Zinsbücher dürften für eine Anzahl der aufgeführten Ortschaften die älteste zusammenhängende Traditionsquelle dar¬stellen, die bisher bekannt ist. Es handelt sich in den Registern hauptsächlich um folgende Orte: Ansbach, Aschfeld, Aura, Fellen, Gambach, Gemünden, Halsbach, Hofstetten, Karlburg, Karlstadt, Karsbach, (Ober- und Nieder-) Leinach, Massenbuch, Rettersbach, Schönau, Seifriedsburg, Sommerberg, Steinbach, Wernfeld, Wiesen¬feld; ferner vereinzelt um Aschenroth, Hessdorf, Langenprozelten, iiohr, Nantenbach, Neuendorf, Rieneck, Rothenfels, Sackenbach, Weyersfeld. – (Aschenroth, Hessdorf und Weyersfeld werden_ erst in den Registern von 1513 erwähnt; Harrbach und Höllrich, die außer¬dem noch in dem später besprochenen Schönrainer Salbuch erwähnt sind, fehlen. Die Zinsbücher sind älter als die verlorengegangene Vorlage zu dem Schönr. Urbar im Staatsarchiv Würzburg (Sign.: R. A. GEMÜNDEN, Nr. 100), obwohl dieses mit vereinzelten Notizen in das 15. Jahrhundert – bis 1486 – zurückreicht, da in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts eine steigende Vermehrung des Schönrainer Güterstandes anzunehmen ist.)
Ein Teil des archivalischen Vermächtnisses der Rienecker aus dem Amte Schönrain wurde nach der Teilung der Ysenburger in die beiden Hauptlinien Büdingen und Birstein (1684) in das Isenburgische Archiv nach Birstein abgezweigt. Dort befindet sich das große rieneckische Kopialbuch (Nr. 9574 = M.-S. Nr. XIV) mit Abschriften von 177 Rienecker Urkunden aus der Zeit von 1159 bis 1561; es enthält eine Auswahl von 12 Schönrainer Urkunden, die jedoch alle aus sonstigen Quellen – fast durchweg im Original – erhalten sind. Von größerem Interesse ist das schönrainische Kopialbuch (Nr. 9595 M.-S. Nr. XXXIII), geheftet mit Numerierung der Folien von 1-92, das 28 Abschriften, meist Urkunden (von 1318 bis 1544), ferner einige Salbuchauszüge umfaßt und teilweise unbekanntes Material überliefert. Unter den Abschriften des letztgenannten Kopiars fand sich überraschend auch die aufschlußreiche Urkunde von 1446, März 21, von der bisher nur die Überlieferung des sogen. Karlstadter Regelbuches („Die alt Regel vber Carolstat”) 37) durch ein flüchtiges Kopfregest von Hörnes 38) etwas bekannt war.
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III. Die Würzburger Gruppe:
Ein Teil dieser Archivalien hängt mit den Beziehungen zwischen dem Bischof von Würzburg und dem Priorat Schönrain zusammen. Die Bestandteile mit Mainzer Signaturen – dazu gehören vor allem die beiden Originale von 1159 und 1318, Juni 21 – stammen aus dem Mainzer Zweig der rieneckischen Erbschaft; sie wurden zusammen mit den übrigen Kurmainzer Archivalien dem Staatsarchiv Würz¬burg einverleibt. Einige Splitter dieser Gruppe kamen bei dem Kaufangebot Hirsaus im November 1525, einige andere bei der Ein¬ziehung der schönrainischen Lehen im Jahre 1601 an das Hochstift Würzburg. Die Originale dieses Komplexes – soweit sie vor 1400 datieren-liegen im Bayer. Hauptstaaatsarchiv München; es sind die 8 Ausfertigungen unter den Signaturen: Mainz, Nr. 29 und Nr. 511, – Würzburg, Nr. 2470, 6360, 6368, 6370, 6461, 7189. Von den 4 Originalen aus dem 15. Jahrhundert befinden sich 3 im Bayerischen Staatsarchiv Würzburg unter den Signaturen: K. 17/Nr. 100, K. 18/ Nr. 7, K. 18/Nr. 8; 1 weiteres Original aus dem 15. Jahrhundert im Bischöflichen Ordinariatsarchiv Würzburg (Sign.: Urk.-Abteil. B, Lit. S) gehört ebenfalls zu dieser Gruppe. Im Bischöflichen Archiv befand sich außerdem die Abschrift einer anderen Schönrainer Urkunde des 15. Jahrhunderts, die sonst nirgends überliefert ist (Sign.: Urk.-Abteil. E, Lit. S, vgl. T. D.).
Eine größere Anzahl schönrainischer Abschriften fand sich zerstreut im Staatsarchiv Würzburg unter den Mainzer Büchern ver¬schiedenen Inhalts (Signatur: 116c: Salbuch der Grafschaft Rieneck; Band III, fol. 220-231), im Standbuch Nr. 155 – Kloster Gerlachs¬heim betreffend – (fol. 9-11′, 198), im Salbuch des Hochstifts Würzburg Nr. 155 (fol. 5-7), im Standbuch Nr. 209 (fol. 209′), im „Liber privileg. Laurentii” (Standbuch 644, fol. 201-203′) sowie unter den Mainzer Urkunden, Geistlicher Schrank (L 14/31, L 14/32, L 14/55), ferner im Faszikel „Adel 70/1262″.
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Dieses Faszikel (328 Blätter, numeriert) ist als ergiebige Quelle für die Geschichte Schönrains von besonderer Bedeutung; es enthält eine Anzahl von Ausfertigungen, Abschriften und Entwürfen (fol. 11, 16, 42, 124, 128, 136/37, 138, 142, 172 ff.), ferner die ältesten vorhandenen Zinsregister aus der Klosterzeit _ (etwa von 1460¬-1490) 39), sowie verschiedene jüngere Zinsregister, die in den Jahren 1527/28 auf Anweisung des Bischofs von Würzburg von seinen Amt¬männern zu Karlburg, Hohenburg, Gemünden und Rothenfels.über die schönrainischen Nutzungen in ihren Ämtern neu zusammen¬gestellt werden mußten (fol. 193a, 195-212, 248a-d, 249a, 292/3). Außerdem enthält dieses Faszikel das gesamte würzburgische Akten¬material über den jahrelangen Prozeß des Hochstifts wegen des Verkaufs von Schönrain und bildet somit das würzburgische Gegen¬stück zu den rieneckisch-hirsauischen Prozeßakten des Faszikels „Reichslehen Nr. 44″ im ysenburgischen Archiv zu Büdingen.
Von Bedeutung für die Besitzgeschichte Schönrains ist ein unge¬heftetes rieneckisches Salbuch von 174 Blättern, teilweise beschädigt (Sign.: Rentamt Gemünden, Nr. 100), im Format 22,5X31,5 cm, das – wie verschiedene Inserierungen (fol. 1, 39, 65, 66, 128′, 138′) beweisen – mit Bestimmtheit auf ein älteres Salbuch aus dem letzten Jahrzehnt des Priorats zurückgeht. Diese ältere Vorlage dürfte zwischen 1514 und 1524 angelegt worden sein; sie wurde bis zum Dezember 1524 laufend ergänzt. Das erwähnte Urbar enthält u. a. Eintragungen über: Hofstetten (fol. 74-95′), Massenbuch und Hof zum Syfritz (fol. 114-121′), Halsbach (fol. 122-138`), Sommer¬berg (fol. 146-151), Wiesenfeld (fol. 16-34); ferner über Ansbach (fol. 69-73), Aura (fol 170’/171′), Fellen (fol. 171`/172), Gambach (fol. 169’/170′), Karsbach) fol. 54-59′, f3-66), (Ober- und Unter-) Leinach (fol. 38-51), Seifriedsburg (fol. 154-164); außerdem über: Aschen¬roth, Hessdorf, Höllrich, Weyersfeld (fol. 60-62′) und Harrbach (fol. 169/169′).
Unter den Mainzer Urkunden (Geistlicher Schrank, 14/52) befindet sich ein „Verzeichnis und Extract der Schönrainer Urkunden aus dem Archiv der Grafen von Rieneck”, worin 26 Urkunden (von 1139 bis 1500 in regestenähnlicher Weise aufgeführt sind; ein Vergleich dieser Zusammenstellung mit den erhalten gebliebenen Beständen an Schönrainer Urkunden zeigt, daß nur 8 der damals vorhandenen Urkunden verlorengegangen sind 40). Abgesehen von den beiden in diesem Verzeichnis erwähnten Ablaßbriefen von 1296 und 1358 scheinen sich nach dem Inhalt der regestenartigen Notizen zu urteilen – keine besonders bedeutsamen Urkunden darunter zu befinden. Auf Grund dieses Verzeichnisses läßt sich mit Bestimmtheit behaupten, daß von den Rieneckern keine älteren Schönrainer Urkunden als die von 1139 und 1159 übernommen wurden. Beide Urkunden von 1139 und 1159 sind in. mittelalterlichen Abschriften mehrfach überliefert 41),
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von beiden sind auch komplette mittelalterliche Übersetzungen erhalten 92); daraus ist zu schließen, daß diese Urkunden mindestens bereits seit der Mitte des 15. Jahr¬hunderts als älteste Schönrainer Urkunden galten. Diese Vermutung wird durch die Bemerkung des Würzburger Offizials von 1453 im Transsumpt der Urkunde von 1139 eher verstärkt als vermindert 43). Die Urkunde der Grafen Ludwig und Berengar von Thüringen scheint demnach schon frühzeitig in Verlust geraten zu sein, viel¬leicht schon im 12. Jahrhundert, sonst ließe sich bei dem relativen Umfang der vorhandenen Quellen wenigstens eine abschriftliche Überlieferung oder eine Erwähnung erwarten. Die Prozeßakten über den Verkauf Schönrains lassen jedoch nur an einer einzigen Stelle den sehr verschwommenen Nachklang einer Erinnerung an diese Schenkung erkennen”), andernfalls hätte der Abt von Hirsau bestimmt nicht versäumt, sich zur Bekräftigung seines Rechtstitels auf Schönrain gegenüber dem Hochstift auf eine mündliche Über¬lieferung von dieser Urkunde zu berufen 45). Die erwähnte Notiz im Codex Hirsaugiensis (fol. 65a) ist somit tatsächlich die einzige Spur, die sich als Kern des Kontextes dieser Urkunde erhalten hat 46). Überraschend gering im Verhältnis zur sonstigen Überlie¬ferung ist der erhalten gebliebene Bestand an schönrainischen Originalurkunden, der mit den 12 Ausfertigungen der Stuttgarter, den 13 der Ysenburger und den 12 der Würzburger Gruppe fast schon erschöpft ist. Die gruppenweise Zusammenstellung einer Übersicht über diese 37 Originale ergibt, daß sich vom Gros der Schönrainer Urkunden
aus dem 11. Jahrhundert 0,
aus dem 12. Jahrhundert 2,
aus dem 13. Jahrhundert 1,
aus dem 14. Jahrhundert 9,
aus dem 15. Jahrhundert 18,
aus dem 16. Jahrhundert 7
Ausfertigungen erhalten haben.
37) ST. A. WBG., Stb. Nr. 64 h (Papierkodex). –
Das Karlstadter Regelbuch wurde am 14. Nov. 1453 von Johannes Schrauten¬bach, dem Amtskeller des Würzburger Domkapitels zu Karlstadt, angelegt; es enthält eine Fülle ortsgeschichtlich Interessanter Einträge, die von Sehr. bis zum Jahre 1491 ergänzt wurden.
38) Hörnes, Regelb., 46; fälschlich datiert (ebda. / Anm. 134) mit 1446, März 11, statt 21.
39) Es sind dies vermutlich dieselben Zinsregister, die dem Bischof von Würzburg mit Begleitschreiben von 1515, XI. 8 von Hirsau zugesandt wurden
40) Diese verschollenen Urkunden stammen aus den Jahren: 1296, 1347, 1358, 1362, 1425, 1449, 1455, 1500.
41) Die Urk. v. 1159 ist außer dem Original und mehreren Kopien u. a. in einer im Text bereits erwähnten Abschr. a. d. 13. Jh. überliefert. ` (YS. A. BÜD., Nr. 21)
42) übers. (von ca. 1430) der Urk. v. 1139, IM 26: ST. A. WBG., Salb. d. Hochst. Würzburg Nr. 155, fol. 5-7. übers. der Urk. v. 1159: ST. A. WBG., Mainz. Urkk., G. Sehr. L 14 / Nr. 55.
43) Vermutlich hat der Würzburger Offizial von den erwähnten „sehr alten und unzweifelhaft echten” Schönrainer Urkk. mit dem Diplom v. 1139, II. 26 die älteste dieser Urkk. in das Transs. v. 1453, IV. 20 übernommen. Die Urk. v. 1139, IL 26 lag nach Bundschuh (a. a. O., V, 177) noch zu Beginn des vor. Jh. unter den Urkk.v.St.Stephan zu Würzburg.
44) Adel 70/1262, f. 324.
45) Es wurden auf beiden Seiten wiederholt die wichtigsten Urkk. zitiert, die für die Geschichte Schönrains jemals von Bedeutung waren. So beruft sich z. B. der Bischof von Würzburg zur Begründung seines Standpunktes in diesem Prozeß wiederholt auf die kaiserlichen Privilegien von 983 und 1060.
46) vgl. Reg. Thur. 1, 941 / Anm.
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1. Stuttgarter Gruppe | II. Ysenburger Gruppe | III. Würzburger Gruppe |
1139, Febr. 26 | 1304, Juni 26 | 1159 |
1318. Sept. 9 | 1348. Okt. 9 | 1296, März 21 |
1465, März 10 | 1404, Jan. 25 | 1301, Juni 24 |
1466, Aug. 10 | 1418. Febr. 20 | 1304, Juni 26 |
1467, Nov. 17 | 1431. Mai 19 | 1318, Juni 21 |
1477. Juni 11 | 1454, Febr. 22 | 1345, Juni 22 |
1487, Febr. 22 | 1464. Jan. 25 | 1387, Mai 12 |
1487, Febr. 22 | 1467, Nov. 17 | 1388, Nov. 18 |
1526, März 23 | 1483, Jan. 21 | 1407, Febr. 14 |
1526, April 26 | 1487, Febr. 22 | 1456, Sept. 1 |
1526, Mai 17 | 1526, Sept. 22 | 1482, Juli 27 |
1526, Sept. 22 | 1527, Jan. 10 | 1483, Jan. 21 |
1527 Dez. 4 |
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Unter den Totenroteln des Klosters Admont (Österreich) befinden sich 2 Roteln mit Schönrainer Bezügen (rotulus 223r, 229r) von 1477 und 1495. Vereinzelte Kopien fanden sich im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt (Bodmann-Habel’sche Sammlung, Nr. 506, fol. 1 und 2) 48), im Städtischen Archiv Frankfurt am Main (Fremde Archivalien, Nr 86: Rieneckisches Kopialbuch mit Urkunden bis 1477) 49), im Thüringi¬schen Staatsarchiv Meiningen (Sectio III, A 14b, Nr. 1) sowie, in der Repositur der Pfarref Hofstetten am Main und der Gemeinde Halsbach (der sogen. „Bundeslade”). In zwei Fällen, für die beiden gedruckten Urkunden von 1329, Okt. 10 50) und von 1456, Mai 4 (Weistum) 51), konnten die archi¬valischen Vorlagen zu den Drucken trotz allen Bemühungen nicht ermittelt werden; für erstere Urkunde ist abschriftliche Überlieferung im Staatsarchiv Würzburg, für letztere im Fürstlich Isen¬burgischen Archiv zu Birstein zu vermuten. Außer dem Weistum von 1456, Mai 4 hat Jacob Grimm im III. Band seiner Weistümer – ebenfalls ohne Quellenangabe – ein zweites Schönrainer Weistum (von 1509) 52) veröffentlicht. Die archivalische Vorlage dazu wurde in Schönrainer Kopialbuch zu Birstein (Nr. 9595, fol. 19/20) gefunden. Ein drittes großes Schönrainer Weis¬tum von 1477, Juni 11 wurde von Fr. C. von Buri im Jahre 1783 nach einer „alten” Kopie publiziert 53). Das Original dieses Weistums liegt im Württembergischen Staatsarchiv Stuttgart – vergleiche Urkun¬den der Stuttgarter Gruppe. Eine abschriftliche Überlieferung, die mit der Vorlage zu Buris Druck identisch sein dürfte, befindet sich im Schönrainer Kopialbuch des isenburgischen Archivs (fol. 11 ff.). Nachforschungen im Thüngen’schen Archiv Zeitlofs, im Bayerischen Staatsarchiv Bamberg, im Germanischen Museum Nürnberg, im Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, im Bischöflichen Ordinariatsarchiv Speyer sowie in verschiedenen Pfarrei-Reposituren blieben ergebnislos.– 29 –
Auch die Trieffensteiner Archivalien im Fürstlich Löwenstein-Wertheim-Freudenberg’schen Archiv und im Löwenstein-Wertheim-Gemeinschaftlichen Archiv zu Wertheim haben keine Beziehungen zu Schönrain ergeben. Die Recherchen im ehemals Nostiz’schen Archiv der Grafen von Wallerstein-Trostburg zu Lobris (Schlesien) konnten nicht durchgeführt werden, da die Repertorisierung der Bestände (durch das Preußische Staatsarchiv Breslau) damals noch nicht abgeschlossen war. Die aufgefundenen Archivalien, insbesondere die Urkunden der Stuttgarter sowie das Aktenmaterial der Rienecker und Würzburger Gruppe, waren bisher größtenteils unbekannt. Die Urkunden der Rienecker Gruppe waren in der Literatur nur insoweit bekannt, als sie von Guden – nach dem Brauch der damaligen Zeit ohne Quellenangabe! – publiziert waren,”). J. H ö r n e s und Joh. A. K r a u s , die Verfasser der einzigen größeren (1881 erschienenen) Abhandlung über Schönrain 55), gründen ihre Darstellung im wesent¬lichen auf gedruckte Quellen; an archivalischen Quellen kannten sie fast nur die Urkunden der Würzburger Gruppe. Von der unvollständigen Heranziehung der vorhandenen Quellen abgesehen, weist ihre für die damalige Zeit gewiß verdienstvolle Arbeit noch zwei andere wesentliche Mängel auf: 1. Die beiden Verfasser` verkennen die Bedeutung Schönrains für die Frage nach der Herkunft des thüringischen Landgrafenhai, ses; bezüglich der Gründungsmotive neigen sie zu einer kritiklosen Übernahme der Annales Reinhardsbrunnenses. 2. Im übrigen läßt ihre Arbeit vielfach den äußeren wie den inneren Zusammenhang mit dem Hirsauer Hintergrund vermissen und übersieht die Besonderheit Schönrains im Rahmen des Hirsauer Klosterverbandes. Eine Neubearbeitung der Geschichte Schönrains dürfte somit gerechtfertigt erscheinen.– 30 –
Frühere Erwähnungen der Gründung Schönrains, wie bei Bundschuh 56), sind bedeutungslos. Im Vergleich zu dem Kapitel in Links Klosterbuch über das BenediktinerPriorat Schönrain 57) stellt die Arbeit von Hörnes-Kraus trotz ihrer Unzulänglichkeiten einen wesentlichen Fortschritt dar. Alle spätere Literatur über Schönrain, wie bei Henner (1904) 58), Hessler (1909) 59), im Spessartkalender (1918) 60) sowie in den Kunstdenkmälern von Bayern (1920) 61), einschließlich der ortsgeschichtlichen Literatur im Zusammenhang mit Hofstetten 62) , Gemünden 63), Lohr 64) und Karlstadt 65), enthält lediglich Auszüge aus der Arbeit von Hörnes-Kraus. In der reichhaltigen Literatur über Hirsau und die Hirsauer Klöster, besonders in Werken über Abt Wilhelm und die Ausbreitung der Hirsauer Reformbewegung, wird Schönrain häufig erwähnt. Vor allem Christmann, in seiner Darstellung über die Geschichte des Klosters Hirsau 66), schenkt dem Schönrainer Filialkloster starke Beachtung. Vereinzelte Zitierungen Schönrains bringen u. a. Albers 67), Baer 68), Giseke 69), Kerker 70), Stälin 71). Hinsichtlich der Bedeutung Schönrains für die thüringische Landesgeschichte – in Verbindung mit dem vielerörterten Herkunftsproblem der thüringischen Landgrafen – wird auf den Abschnitt über die Stiftung des Klosters hingewiesen. Selbst in der allgemein-geschichtlichen Literatur so bei Hauck72) und Meyer von Knonau 73), wird der Gründung Schönrains einige Bedeutung beigemessen.47) Der paläographische Befund dieser Urk. weist unverkennbar auf das frühe, nicht auf das ausgehende 13. Jh hin, wie in der ZGORh. XXVI, 60 irrtümlich angenommen wird. 48) Diese Privatsammlung befand sich ursprünglich in Miltenberg am Main. Nach Verkauf der Bestände wurden die Archivalien auf die Staatsarchive Marburg und Darmstadt verteilt. Links Hinweis (a. a. 0., II, 744, 748) auf Quellen zur Geschichte Schönrains im Archiv zu Miltenberg ist auf die Bodmann-Habel’sche Slg. zu beziehen. Über diese SIg. vgl. Götze (Archival. Zschr., Bd. II, Stuttgart 1877, S. 146) und Schneiderwirth – Bauch (Archival. Zschr., Bd. XIII NF., München 1888, S 241 ff.) Die von Schneiderwirth – Bauch (a. a. 0., 245) unter Schönrain erwähnten Urkundenabschriften des 14. Jh. waren nicht zu ermitteln; es konnten lediglich die von Bodmann gefertigten Kopien der Urkk. ‘v. 1159 und 1453, IV. 20 in Darmstadt fest¬gestellt werden. 49) Das bezeichnete Rienecker Kopiar enthält unter Nr. 29 eine Abschr. der Urk. v. 1407, IL 14. 50) Die Urk. v 1329, X. 10 ist veröffentlicht von Jäger: AU. 111 (1836). 3. H., S. 32 f., Nr. XII. 51) Die Urk. (Weistum) v. 1456, V. 4 ist gedr. bei Grimm, Weistümer III, 544 ff. 52) a. a. 0., 5’51 ff. 53) Buri, Fr. C. v., a. a. 0., 91 ff. 54) Mones Anm. (ZGORh. IX, 63 f.) ist der einzige Hinweis auf den Zusammenhang zwischen urkundlichen Quellen im YS. A. BÜD. und den Diplomata Rienecciana Gudens (a. a. O. V, 544 ff.). Mone hat die erwähnten Archivalien selbst nie eingesehen; seine mißverständliche Angabe von „51 rieneckischen Urkunden, das Kloster Schönrain betreffend”, stützt sich auf ein Verzeichnis des Oberpfarrers G. Simon von Michelstadt. Link (a. a. 0., II, 744, 748) bringt einen Auszug aus dieser bisher kaum beachteten und noch nie überprüften Anm., wodurch der Verfasser im November 1946 zur Wieder¬entdeckung bedeutsamer rieneckischer Archivalien geführt wurde, die seit Gudens Zeiten von mehreren Forschergenerationen (Jäger, Höfling, Wie¬land, Kallenbach, Stein, Kempf, Hahmann, Hönlein, Klein) in der fränkischen Landesgeschichte als verschollen angesehen wurden. 55) AU. XXV (1881), 449 ff.; gegenüber der Arbeit von H. – K. ist Contzen (Archival. Zschr., Bd. VIII, München 1883, S. 49) sehr rückständig, der in seiner zusammenfassenden Übersicht über die Urkk. des Bistums Würzburg angibt, die gesamte urkundliche Überlieferung Schönrains bestehe aus 3 Urkk. des 15. Jh. – damit sind wohl die drei Originale des ST. A. WBG. gemeint – u. einer Urk. des 17. Jh. – Bereits Gg. Höfling, der als erster – lange vor H. K. eine ausführliche Abhandlung über Schönrain plante (vgl. Höflings handschriftl. Nachlaß im Besitze des Geistl. Rats Friedr. Martin, Stalldorf/Ufr.), stieß bei seinen Vorarbeiten auf eine größere Anzahl schönrainischer Urkunden. 56) Bundschuh (a. a. 0., V, 176 f.), Hänle, S. – Spruner, K. v. (Handbuch für Reisende auf dem Maine, Würzburg 1843, S. 130) und Braunfels, L. (Die Mainufer und ihre nächsten Umgebungen, Würzburg 1844-47, S. 279) bringen Schönrain mit der hl. Lioba und der Gründung eines Frauenklosters in Verbindung, letztere wahrscheinlich beeinflußt von Weigand, W. (AU. I, 1833. 2. H., S. 1,6), der Schönrain in fälschlicher Auslegung von Eckeharts Commentarii (a. a. 0., 356, 403) mit Schonersheim bei Mainz verwechselt. 57) Link, a. a. 0., 1, 113 f. 58) Renner, T., Altfränkische Bilder, Würzburg 1904. 59) Heßler, A., 296 Burgen und Schlösser in Unterfranken, Würzburg 1909, S. 52. 60) Spessartkalender für das katholische Volk, VIII. Jahrg., Aschaffenburg 1918, s. 83 ff. 61) Kdm. Bd. III. H. XX (München 1920), S. 136 ff. (bearbeitet von Hans Ring). 62) Stengele, a. a. 0., 1,00 ff. 63) Stelzner, a. a. 0., 9, 11, 74, 80 f. 64) Höfling, a. a. 0., 2, 385 f. – Stein, Geschichte der Stadt Lohr, 18, 20, 21, 75. 65) Hörnes, Kurze Beschreibung der Karlsburg und der Stadt Karlstadt. 186. 66) Christmann, a. a. 0., 77, 92, 145, 153, 175, 197, 200, 242 f., 249 f., 309, 395 ff. 67) Albers, a. a. 0., 115, 127. 68) Baer, a. a. 0., 98. 69) Giseke, Ausbreitung der Hirschauer Regel, 23; ders., Die Hirschauer, 109. 70) Kerker, a. a. 0.., 207. 71) Stälin, a. a. 0., I, 348. 72) Hauck, a. a. 0., III, 869, 1026. 73) Meyer von Knonau, a. a. 0., IV. 254, Anm. 37.
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Bei Gambach, oberhalb von Gemünden, verläßt der Main die niedrigere Zone des Muschelkalks und dringt in die ansteigenden Buntsandsteinschichten vor. Zwischen Gemünden und Wertheim folgt der Fluß im wesentlichen der zurückweichenden Muschelkalkstufe, um zwischen Wertheim und Miltenberg in kühnem Steilanstieg – wie es scheint – die Hochfläche des BuntsandsteinSpessarts zu durchbrechen. Dieses scheinbare Bergauffließen erklärt sich daraus, daß die Richtung der Alluvialebene des Maintals bereits seit dem Pliozän endgültig festliegt und durch spätere Gebirgshebungen infolge der Aushöhlungskraft des Flusses nicht mehr beeinflußt werden konnte1) . Zwischen Gemünden und Lohr hatte der Main einst noch die Stufe des Wellenkalks zu durchfließen 2) , der sich früher einmal auch über die weiter südlich gelegenen Gebiete des Buntsandstein-Spessarts erstreckte. Der Bocksberg bei Oberwittbach ist als der einzige Muschelkalkrest aus dieser Zeit rechtsmainisch zurückgeblieben. Trotzdem ist das Mainviereck als übliche Begrenzung des südlichen Spessarts im allgemeinen anzuerkennen 3) ,wenngleich der Lauf des Flusses auch sonst nicht durchweg mit den Formationgrenzen zusammenfällt. So ist zum Beispiel der steil abfallende Höhenzug des. Geisberges und seines südlichen Ausläufers, des Schönrains, linksmainisch in der Mainschleife zwischen Langenprozelten und Neuendorf, durchaus als geologische Fortsetzung der rechtsmainischen Buntsandsteinschichten des Spessart zu
1) Siebert, a. a. 0., 59.
2) a. a. 0., 59.
3) über die Grenzen des Spessarts: vgl. Siebert, a. a. 0., 7 ff.
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betrachten 4) . Im Süden des Schönrains, gegen den Salzberg und Sommerberg hin, führt das kleine Hängetal des Mühlbachs von dem Wiesenfelder Plateau schluchtartig, mit ungleichmäßigem Gefälle zum Main hinunter – in seiner tiefen Einkerbung das Musterbeispiel einer „Klinge”, wie sie als bezeichnende morphologische Erscheinung dieser Schichtstufenlandschaft an mehreren Stellen des Maintals zu finden ist 5).
Eine vorgeschichtliche Besiedlung des Gebietes um Schönrain, wie überhaupt der ganzen Landschaft zwischen Gemünden und Wertheim, ist durch Bodenfunde nur höchst spärlich nachzuweisen 6). Die ausgedehnten Waldungen in Verbindung mit der im allgemeinen geringen bis mittleren Bonität des Bodens setzen eine verhältnismäßig hohe Kulturstufe von Siedlern voraus, so daß auch für den Ostrand des südlichen Spessarts in vorgeschichtlicher Zeit ein siedlungsleerer Raum anzunehmen ist. Der Zustand einer fast reinen Kulturlandschaft liegt hier nur wenige Jahrhunderte zurück, der Vorsprung der älteren Kulturlandschaften war zu groß, um von dem Neuland aufgeholt werden zu können. Im Vergleich zu den altbesiedelten Lößgebieten westlich des Spessarts und auch zu den ‘früher besiedelten Räumen der unterfränkischen Muschelkalkplatte trägt der Buntsandstein-Spessart noch heute den „Stempel der Jugend” 7). An den Osträndern des Spessarts, vor allem im Südosten (Rettersheim!) und Nordosten (Burgjoß!), waren die geologischen Siedlungs-Vorbedingungen allerdings etwas günstiger; hier mochte der sanfte Übergang vom Buntsandstein zum Muschelkalk für eine Besiedlung des Gebietes von Osten her einladender erscheinen als der Steilabfall der westlichen Schichtstufen 8).
Die Annahme einer verhältnismäßig späten Siedlungsepoche wird auch für den östlichen Spessart durch die Etymologie der Orts- Bach- und Flurnamen in vollem Umfang bestätigt. Sämtliche in Frage kommenden Orte – einschließlich der in historischer Zeit abgegangenen Wüstungen – lassen germanische Herkunft erkennen, nicht ein einziger dieser Namen weist auf vorgeschichtliche Ursprünge hin. Sehnetz nimmt auf Grund der Ergebnisse seiner Ortsnamen-Forschungen im Gebiete des Maintals zwischen Gemünden und Wertheim vier verschiedene Siedlungsstufen an, wobei er
4) Der Muschelkalk tritt im Maintal zwischen Gemünden und Wertheim überhaupt nur an einer einzigen linksmainischen Stelle, nämlich bei Marktheidenfeld – Lengfurt, unmittelbar an den Fluß heran. – Vgl. Siebert, a. a. 0., 46.
5) Zum Beispiel bei Bergrothenfels, vgl. a. a. O., 60 f.
6) Die prähistorischen Funde vom Ende der Jungsteinzeit und aus der Broncezeit (Hügelgräber und Urnenfelder) bei Rettersheim (diluviales Lällgebiet!) bilden wohl die einzige Ausnahme. Vgl. Klein, a. a. O., 9 ff. – Siebert, a. a. O., 67 ff. – Die Ansicht von Sehnetz (a. a.’0., 7 L), der in einem Ringwall auf dem Miehelsberg bei Neustadt am Main einen prähistorischen Zeugen erblicken will, ist sehr umstritten. – Vgl. ferner: Von Haxthausen „Zur Vorgeschichte des Spessarts”, „Spessart” 1906-1L. – Hock, Vorgeschichtliches aus Rhön und Spessart”, „Mainfranken„ 1935.
7) Siebert, a. a. O., 66.
8) Vgl. Klein, a. a. 0., 13.
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Schönrain mit wenig Genauigkeit in die vierte und jüngste dieser Gruppen einreiht 9).
Einer älteren Siedlungsstufe als das „SCONENREN” der Urkunde von 1139 sind die in der gleichen Urkunde genannten Orte „WISENTFELT”, „SPURCA” (1159: „SPURCAHA”) und „EIGELMANNESWERT” zuzurechnen, ferner „HOUESTETI”, das zusammen mit Spurca(ha) 1159 erstmalig erwähnt wird.
Einige Funde, die in Wiesenfeld im vorigen Jahrhundert gemacht wurden 10), lassen eine vorgeschichtliche Besiedlung des Ortes möglich erscheinen; die bereits auf Kalkboden liegende, verhältnismäßig fruchtbare Wiesenfelder Gemarkung mochte schon sehr frühzeitig zur Siedlung ermuntert haben. Auch die bedeutende Stellung, die Wiesenfeld schon 1190 als Mutterpfarrei mit 16 Filialen für die Pastorisierung eines weiten Kreises der umliegenden Dörfer einnahm, läßt darauf schließen, daß die Ortschaft bereits damals eine jahrhundertelange Entwicklung hinter sich hatte 11) .
Spurca(ha) 12), ein Hof am Fuße des Salzberges, unmittelbar vor der Einmündung des Mühlbaches in den Main 13), war das südlichste Eck der Schaippacher Feldmark; nach Lage des Ortes wie nach der Etymologie seines Namens dürfte diese kleine Siedlung bis ins 10. Jahrhundert, oder sogar bis in die karolingische Zeit zurückreichen; mit dem ..Spurcehe”, das im Jahre 1059 als Grenzpunkt eines Wildbanns in der Nähe von Hammelburg erwähnt wird 14), ist es jedoch bestimmt nicht identisch.
9) Zusammen mit Zimmern, Waldzeh (ursprüngl.: Zell) Neuendorf. Langenprozeiten, Hofstetten, Rettersheim, Trieffenstein, Rothenfels, Madenstat. – Abzulehnen ist vor allem die Zusammenfassung der vermutlfrh jahrtausendealten Siedlung von Rettersheim mit Erlach (1. urkdl. Erwähn.: Mitte 14. Jahrh.) und Zimmern (1. urkdl. Erwähn.: Anfang 15. Jahrh.!) in eine Siedlungsgruppe.
10) Am .,Heidentempel` wurden u. a. zwei Grabhügel mit zwei großen. Urnen entdeckt; vgl. Vierengel Rudolf: „Aus der Vergangenheit der Gemeinde Wiesenfeld” (.,Fränkisches Volksblatt” vom 16. Juli 1938). – Ober frühere prähistorische Funde vgl. „Das schöne Franken”, Jahrg. 5 (1934), Nr. 19/20 (Sonderheft, Ausgrabungen (S. 14), sub voce Wiesenfeld. Die spätere Einreihung der fehl-Orte nach dem Schema von Schnetz (a. a. O., i6) ist bezüglich Wiesenfelds ebenso irreführend wie die Eingruppier. von Rettersheim; Wiesenfeld liegt zudem außerhalb der Zusammenstellung von Schnetz.
11) Vgl. Höfling.. -Notizen über Pfarrei und Ort Wiesenfeld: AU. III. (1836), 3. Heft-Kraus. a. a. O.. 224 ffi.
12) Dieser Ortsname erscheint merkwürdiger Weise in der Urkunde von 1109 mit „Spurca” in jüngerer Form als 1159 („Spurcaha”). – Hörnes – Kraus (a. a. 0.,.464) deuten richtig: ‚.Februarwasser”. Die Ethymologie von Förstemann (a. a. 0.. TT. 844), der Spurca von sporkel, sprocker. spor;gel = Faulbaum ableitet. diirfte nicht zutreffen. – Vgl. dazu: Eckhart. a. a. O.. I, 409. – Frings Theodor, Germania Romana, Halle 1933, S. 114 (snurcalia”). Ferner: Bcehmer Julius, Die Söhre uod ihr Geschwisterkreis: (ZHL., Bd. 61 (1936). NF. Bd. 51. S 121 ff.) – Soraha als Gegenstück zu Spurcaha!
13) Stein. (Die Reichslande R.ieneck, a. a. 0.. 60) vermutet die Lage des Hofes Spurca Irrtümlich bei Hofstetten. – Richtig lokalisiert bei Fraundorffer, a. a. O.. II. 2., 49; annähernd richtig bei Hörnes – Kraus (a. a. O.. 463).
14) Dronke, a. a. O., na. 760. – .,Spuckehe” dürfte etwa bei Oberthulba zu suchenn sein, die Lage dieses abgegangenen Ortes ist auch in der Umgegend von Hammelburg nicht bekannt.
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Hofstetten, zusammen mit Spurcaha 1159 zum ersten Male genannt, dürfte in Anbetracht seiner sandigen, wasserarmen Flur trotz seiner günstigen Verkehrslage an der uralten Furt, welche die „Birkenhaines Straße” mit dem Waldsassengau verband, wohl etwas jüngeren Ursprungs sein 15)
Der gleichen Siedlungsstufe gehört wohl das als ,praediolum’ bezeichnete Eigelmanneswert an, das in ähnlich günstiger Lage – an ler Austrittsstelle der Birkenhaines Straße in den Talkessel von Gemünden 16) – im Vergleich zu dem gegenüber liegenden Hofstetten zwar den beachtlichen Vorzug hatte, daß sich seine Gemarkung am Fuße des Zollberges auf überschwemmungssicherem Gelände befand, aber auch den gemeinsamen Nachteil der Wasserarmut mit diesem teilte, ebenso wie das später gegründete, näher am Mainufer erbaute Langenprozelten (1296 erstmalig erwähnt) 17), nach dessen Gründung Eigelmanneswert bald schon abgegangen sein dürfte; eine spätere Erwähnung ist nirgends überliefert.
Für die übrigen Siedlungen in der Nähe von Schönrain (1159: Ziegenbach, Massenbuch, Wernfeld, Heßdorf, Seifriedsburg) – soweit ihre Entstehung nicht mit dem karolingischen Siedlungssystem der Königshöfe zusammenhängt (wie bei Schaippach, Karsbach, Karlburg, Karlstadt) 18 ) – läßt sich zusammenfassend feststellen: Ausgangspunkt und Träger der Kolonisation waren hier wie im übrigen Spessart – im Gegensatz zu anderen Gegenden – weniger die Klöster als staatliche Gewalten 19). Selbst die Rodungstätigkeit der Abtei Neustadt, des ältesten und bedeutendsten geistlichen Zentrums am Ostrande des Spessarts, ist von geringer kolonisatorischer Auswirkung geblieben 20).
Verglichen mit den genannten Orten in der Umgegend von Schönrain, war dessen „anmutige Lage” auf steiler Anhöhe. Inmitten dichter Wälder, für eine Siedlung wenig günstig, so Ideal („valde idoneus”) sie dem überschwänglichen Hinsauer Historiographen für eine Klostergründung erschienen sein mochte. Es ist daher mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß sich vor der historischen Überlieferung keine Rodungsinsel auf dem Berge befand.
Alle Berichte, die von der Gründung eines Frauenklosters auf Schönrain durch die heilige Lioba (angeblich ca. 750) wissen wollen 21) , sind in das Reich der Sage zu verweisen.
15) Vgl. Sehnetz, a. a. O.. 13, 16, 62.
16) Ober die .,Birkenhaines Straße” zuletzt: Siebest, a. a. O., 70 £. – Klein, a. a. O., 5 f. -Hörlein, FI.: Die Frammersbaeber Fuhrleute und die Gippenlacht ihrer Frauen: Lohrer Schriftenreihe Nr. 1 (Lohn a. M. 1919), S. 7 ff. – Ober die genaue Lage von Eigelmanneswert vgl. Stelzner, a. a. O., 61.
17) Vgl. Sehnetz, a. a. O., 13, 16, 62.
18) Vgl. nobel, a. a. O., 323 ff.: vgl. ferner Glück P. in Kdm. VI, 2.
19) vgl. Siebest, a. a. O., 90 f.
20) n. a. O., 91.
21) Vgl. Teil 1/Anmerkung 53. – Diese irrige Tradition hat eine seltsame Entsprechung in der mündlichen Überlieferung, die von Nonnen auf Sehönrain zu erzählen weiß; es dürfte sich dabei um eine in der Sage unbewusst. umgedeutete Reminiszens an das Cisterzienserinnen-Kloster Schönau handeln. Der Zusammenhang dieser Sage mit den Schweden (die die Nonnen angeblich in Fässern den Berg heruntergerollt hätten) scheint seinen Grund darin zu haben, daß Schönrain in den Wirren des 30jährigen Krieges und auch später (Ende des 18. Jahrhunderts) wiederholt als Zufluchtsort der Bevölkerung diente und auf diese Weise im Bewußtsein des Volkes am nachhaltigsten in Erinnerung blieb.
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Mit der Urkunde des Bischofs Embrico von Würzburg 22) aus dem Jahre 1139 (Februar 26) 23) tritt Schönrain als „locus Sconenren vocatus ac monastice religioni dicatus” zum ersten Male in das Licht der Geschichte.
Eine Königs- oder Papsturkunde scheint diesem Diplom nicht vorangegangen zu sein, da wir sonst wohl eine Bezugnahme erwarten dürften. Die Urkunde ist ihrem Wesen nach ein bischöfliches Schutzprivileg, das die Stellung Schönrains als hirsauisches Eigenkloster festlegt. Der rechtlichen Charakterisierung der Cella, deren Gründung sich über einen langen Zeitraum erstreckte, geht die Bestätigung zweier Rechtshandlungen voraus, die während der Regierung der Würzburger Bischöfe Adalbero bzw. Erlung vollzogen wurden.
Die Narratio dieses Diploms, in die wohl der Kern des Kontexts der verlorengegangenen Schenkungsurkunde Eingang gefunden hat, berichtet zunächst von der Schenkung Schönrains samt Zugehörungen durch die beiden Grafen Ludwig und Berengar von Thüringen an die Benediktiner-Abtei Hirsau (,Hirsaugiensi coenobio-beatis apostolis Petro et Paulo’) unter Abt Wilhelm („sancte memorie Willihelmo abbati“) zum Zwecke einer Klostergründung. Zur näheren zeitlichen Bestimmung dieser Übereignung dienen die Angaben: diese Schenkung sei zu Zeiten des Königs Heinrichs IV. 24) und des Bischofs Adalbero von Würzburg (,temporibus Heinrici regis quarti pieque memorie Adelberonis nostri praedecessoris’) 25) erfolgt, womit als terminus ante quem: 1084, März 3126) gegeben ist. Als terminus a quo ergibt sich mit dem Zeitpunkt der Einsetzung Wilhelms als Abt von Hirsau: 1069 bzw. 1071 27). Es ist jedoch nicht anzunehmen, daß diese Dotatio vor der Einführung der Hirsauer Observanz und der damit um sich greifenden Hirsauer Reformbewegung stattgefunden hat, wofür nach den Untersuchungen Brackmanns 28) das Jahr 1079 als frühester Zeitpunkt ermittelt wurde.
22)Embrico, ein Graf von Leiningen; Bischof von Würzburg von 1125-1147 (nach Bendel, Reihenfolge der Bischöfe von Würzburg, 1938).
23) Vgl. Anhang II.
24) Posse (a. a. O., II, 92) läßt ,quarti’ ohne Grund aus: dieser Zusatz ist im Original der Urkunde tatsächlich enthalten, vgl. WUB. II, 5 – Anhang.
25) Bischof Adalbero (gestorben 1090) wurde im Frühjahr 1085 aus Würzburg vertrieben (Bendel, a. a. O., 2); dieser Zeitpunkt wurde von Groß (a. a. O., 52) zu Unrecht als terminus ante quem angegeben.
26) Heinrich IV. wurde am 31. März 1084 zum Kaiser gekrönt; die mittelalterliche Urkundensprache unterscheidet genau zwischen ,rex’ und ,imperator’.
27) Wilhelm wurde 1009 (von St. Emmeran – Regensburg aus) als Abt in Hirsau eingesetzt, Ließ sich jedoch erst nach dem Tode seines Vorgängers Friedrich zum Abt weihen (2. Juni 1071), da er dessen Absetzung durch den Grafen von Calw für unberechtigt hielt, und führte auch den Abtstitel erst nach seiner Weihe. Vgl. tippelt, a. a. O., 16.
28) Brackmann, Die Anfänge von Hirsau . . .S. 231; vgl. ferner Reincke, a. a. O., 34.
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Die Schenkung dürfte somit zwischen 1079 und Frühjahr 1084 erfolgt sein 29). Doch selbst bei der äußersten zeitlichen Begrenzung, die möglich erscheint, (1069-1084, März 31) – ist es ausgeschlossen, diese Traditio mit der Ermordung des Pfalzgrafen Friedrich von Sachsen durch Graf Ludwig in Verbindung zu bringen, nachdem dieses Verbrechen – sicheren Bellen zufolge – erst 1085 (Febr. 5) begangen wurde 30). Damit ist die ganze Gründungsgeschichte Schönrains, wie sie von Hörnes – Kraus 31) in kritikloser Übernahme der Reinhardsbrunner Traditionen dargestellt wurde, hinsichtlich der unterstellten Motive schon deswegen hinfällig, weil ein Zusammenhang zwischen der erwähnten Mordtat und der Stiftung Schönrains allein in Anbetracht der Antezedenz der Schenkung 32) gar nicht möglich ist. Einzelheiten dieser sagenhaften Überlieferung werden in den Ausführungen über die Persönlichkeiten der thüringischen Grafen und die wahren Hintergründe ihrer Klosterstiftung näher erörtert.
Hier sei zunächst auf einen anderen wesentlichen Irrtum von Hörnes – Kraus eingegangen, die territorialen Fragen betreffend, die mit der Übergabe an Hirsau aufgerollt werden.
Nach der Darstellung von Hörnes – Kraus, die in ihren Grundzügen von Stein beeinflußt ist 33), gehörte Schönrain samt Zugehörungen ursprünglich zur Scheippacher Feldmark, die sich auf das linke Mainufer – unter Einfluß Wiesenfelds und des Salzherges – bis in die Gegend von Steinbach erstreckt haben soll. Dieses uralte karolingische Königsgut, die ,villa Scheckbach’ im Saalgau, ist im Jahre 983 durch eine Schenkung Ottos II. „mit allen Rechten, welche dem Könige von Franken dort zustanden”, in den Besitz der Würzburger Kirche übergegangen 31). Diese Schenkung habe sich jedoch nicht auf die Schönrainer Besitzungen bezogen, da diese bereits vorher von der Schaippacher Feldmark abgetrennt worden seien.
29) Die Datierung wird von Dobenecker (Reg. Thur. I, Nr. 941, Anmerkung) zwischen 1069 und 1084. März 31 angesetzt. Kaestner (a. a. O., 12) schließt richtig von der späten Vollendung des Klosters auf Anfang der 80er Jahre, spätestens 1084; Schneider – Pille, a. a. O., 7: vor 1085: Groß, a. a. O., 52: 1069-1085, Vgl. Anmerkung 25; Hauck, a. a. O., III, 869: vor 1090; Giseke, Die Ausbreitung 23: 1045-1090; Albers, a. a. O., 115: 1093.
30) Chron. Gozec., MG. SS. X, 546. – Vgl. Kaestner, a. a. O., 12; Knochenhauer, a. a. O., 49; Wenck, a. a. O., 589.
31) Hörnes – Kraus, a. a. O., 4’53 ff.
32) Als Zeitpunkt der Mordtat wird von Hörnes – Kraus unter dem Eindruck der Reinhardsbrunner Überlieferung fälschlich 1065 angegeben. – In den Annalen Reinhardsbr. wurden mehrere historische Fakten aus dem Leben Ludwigs des Springers, z. B. auch seine Gefangenschaft, im Interesse der Tendenz vordatiert. – Vgl. Wenck, a. a. O., 589.
32) Obige Darstellung Ist gleichzeitig eine Auseinandersetzung mit den Ausführungen Steins (Die Reichslande Rieneck: AU. XX, 3., 59 ff.) über die Schaippacher Feldmark.
33) Urkunde von 983 (sine die) – MB. 28, Nr. 161. – MG. DD. O. II., 311; nach dieser Urkunde lag Schaippach im Saalegau, vgl. Fries (bei Ludewig), a. a. O., 52: 1069-1085, vgl. Anmerkung 25; Hauck, a. a. O., III, 861′: vor Reginfridi vom Jahre 812 (Schannat, a. a. O., S. 105, Nr. 234; Dronke, a. a. O., S. 135, Nr. 266) wird „Sceipbach” – nach Schannat: „Sceipah”, nach Dronke: „Scerpbach” – dem Sinngau (vermutlich Landschafts-, nicht Gaubezeichnung) zugerechnet. – Vgl. dazu Stein: AU. XX. 3., 16. – Ring in Kdm. XX, 2. – Nach Hörnes – Kraus (AU. XXV. 2.13., 461) wird „Sceipbach” bzw. ..Scheckbach” auch von Stelzner (a. a. O., 77) fälschlich mit dem „Scutibach” der Urkunde von 1139 gleichgesetzt. Im Sinngau wird außer Schaippach zwischen 790 und 800 „Heimengeshusen” (SChannat, a. a. O., Nr. 94, 141) genannt; an diesen abgegangenen Ort (Wüstung zwischen Rieneck und Burgsinn) erinnert heute noch der Flurname „Heimitz„ oder „Hemmetz”; vgl. AU. XIX. 3., 86; AU. XX. 3. 60; Stelzner, a. a. O., 81. Außer Heimingshausen und Schaippach sind keine Ortsnamen aus dem Sinngau bekannt.
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Dieser Schaippacher Güterkomplex habe sich im Laufe der Zeit durch Eigentumsentäußerungen der Krone (Verkauf, Tausch oder Schenkung) in vier verschiedene Bestandteile aufgelöst: Burg und Stadt Burgsinn seien im Tauschweg gegen thüringische Lehen den Herren von Thüngen, Rieneck den Grafen von Rieneck zugefallen, (auf welche Weise, wird offengelassen), während das Hochstift Würzburg zu dem durch die Traditio von 983 übereigneten ersten Bestandteil – auf Grund der Schenkung des Waldsassengaus im Jahre 1000 sowie der Schenkung des königlichen Wildbanns im Jahre 1060 – durch Heinrich IV. den übriggebliebenen Rest, nämlich die Schönrainer Güter, als Allode erhalten habe 35). Durch diese Gebietsabtretungen sei die Oberlehensherrschaft des Reiches in der Schaippacher Feldmark am Ende bis auf das Reichslehen des Mainzolls von Hofstetten zusammengeschrumpft 36), das somit als letztes Überbleibsel des Schaippacher Königshofes zu betrachten sei.
Der Übergang Schönrains und der dazu gehörigen Güter an die „Grafen von Sangerhausen” wird von Hörner – Kraus folgendermaßen erklärt: Im Verlaufe der Auseinandersetzung zwischen Heinrich IV. und der thüringisch-sächsischen Opposition sei Bischof Adalbero von Würzburg – Ende Oktober 1075 bei Spier (bei Sondershausen / Nordthüringen) – mit den Grafen Ludwig und Berengar zusammengetroffen. Bei dieser Gelegenheit habe er das Würzburger Allodialgut Schönrain den Grafen von Sangerhausen, den Verwandten der Königin-Mutter Gisela (Gemahlin Konrads IL), als Zeichen der Dankbarkeit gegen Königin Gisela sowie als Akt der Staatsklugheit geschenkt; als Zeichen der Dankbarkeit, weil die Wildbannschenkung Heinrichs IV. vom Jahre 1060 hauptsächlich auf Betreiben Giselas zustande gekommen sein soll, als Akt der Staatsklugheit, um die zur Unterwerfung erschienenen aufständischen Grafen durch diesen Gunstbeweis für die Sache des Königs zu gewinnen.
Diese Auffassung von Hörner – Kraus, die in der fränkischen Landesgeschichte bisher noch auf keinen Widerspruch gestoßen ist, stellt eine phantasievolle Mischung geschichtlicher Tatsachen und kühner Vermutungen dar; sie ist bei genauer Nachprüfung nicht aufrecht zu erhalten, obwohl sie eine Reihe richtiger Momente enthält.
35) Diese und die folgenden Anschauungen werden von Hörner – Kraus nicht in allen Punkten ausführlich entwickelt; sie ergeben sich teilweise aus dem Zusammenhang ihrer Darstellung.
36) Mit diesem Reichsfehen waren die Grafen von Rieneck bis zu ihrem Aussterben belehnt; darnach kam es auf dem Erbweg in den Besitz der Grafen von Ysenburg. vgl. Simon, die Geschichte des reichsständischen Hauses Ysenburg und Büdingen (3 Bde., Frankfurt/Main 1865), Bd. II, S. 260.
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Richtig, wenn auch durch urkundliche Zeugnisse nicht zu belegen, erscheint die Ansicht, daß die Schaippacher Feldmark ursprünglich auf das linke Mainufer übergegriffen hat. Die von Stein angewandte, von Hörner – Kraus übernommene Beweisführung für diese Annahme – auf Grund der Besitzverhältnisse des Hofes Spurka(ha) nach den Urkunden von 1139 und 1159 – ist als glaubhaft anzuerkennen; die enge Umgrenzung der Schönrainer Markung nach der Urkunde von 1139, die Grenzstreitigkeiten mit den Anliegern von Spurka(ha) und Hofstetten – als Folge der völligen Absperrung Schönrains vom Main – sowie die später zu erörternden Besitzveränderungen zur Beilegung dieser Streitigkeiten sind als ausreichende Beweisgründe zu erachten.
Der Eintrag „Schippach” im Katasterblatt der Gemarkung Hofstetten (von 1845) 37 ), der von Hörner – Kraus zur Verstärkung ihrer Vermutung weiterhin angeführt wird, muß bei dieser Erörterung – trotz des verlockenden Anklangs an Schaippach – außer Betracht bleiben; Hörner – Kraus sind damit einem Irrtum zum Opfer gefallen, der bei der Nähe Schaippachs und den indizienmäßigen Zusammenhängen mit dem dortigen Königshof umso verzeihlicher ist, wenn man den völligen Gleichlaut der maindartlichen Ausspracheformen von Schaippach und Schippach („Schippich”) berücksichtigt. Trotzdem liegt hier keine Identität dieser beiden Bezeichnungen vor; aus den Schönrainer Zinsregistern des 15. und 16. Jahrhunderts 38) ergibt sich nämlich mit Sicherheit, daß Schippach von dem „Scutibach” der Urkunde von 1139 abzuleiten ist: unter den zinspflichtigen Grundstücken der Gemarkung Hofstetten wird Schütbach, Schutbach und Schuppach für dieselbe Flurlage (Fischweide und Wiesen unterhalb des „Schippicher Wegs”) gebraucht, Scutibach und Schaippach können etymologisch nicht miteinander in Verbindung gebracht werden, nachdem für Schaippach im 9. Jahrhundert (812) die Form „scepbah”, im 10. Jahrhundert (983) „scheckbach” belegt ist.
Wie weit sich die linksmainische Schaippacher Grenze nach Süden und Osten erstreckte, ob sie tatsächlich bis Steinbach, Wiesenfeld und Karlburg reichte, ist fraglich. Schönrain mit Zugehörungen war jedenfalls zum Zeitpunkt der Schenkung nicht in diese Grenze einbezogen. Diese Ansicht gilt in Übereinstimmung mit Hörner – Kraus zunächst für die Grenzverhältnisse seit dem Ausgang des 11. Jahrhunderts. Durch weitere Auswertung der Schönrainer Quellen in positivem und negativem Sinne läßt sich, teilweise im Gegensatz zu Hörner – Kraus, die. Ansicht vertreten, daß Schönrain auch in den vorhergehenden Jahrhunderten nicht zum Schaippacher Königsgut gehörte, sei es, daß es mit seinen Besitzungen stets außerhalb der Schaippacher Gemarkungsgrenze lag, sei es, daß es als Allod innerhalb der Schaippacher Grenzen zu betrachten war.
37) Vermessungsamt Lohr am Main.
38) St. A. wbg., Mainzer Bücher verseh. Inhaltes 1160, £. 230: „schuttbach”. – Ys. A. Büd., Fasc. 167, Nr. 1169, f. 3: „Schuppach”. – Ys. A. Büd., Fasc. 168, Nr. 1168b,
f. 39; „schutbach” und „schupach”.
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Hörries – Kraus sind etwa für den Zeitraum von 1075 bis ante 983 zu denselben Ergebnissen gelangt; richtig, wenn auch nicht unbedingt beweiskräftig ist ihre Folgerung: Wäre Schönrain nach 983 aus dem Schaippacher Güterkomplex irgendwie ausgeschieden, dann wäre dafür ebenso eine königliche Konfirmation erforderlich gewesen, wie sie bei dem Übergang Burgsinns an den Ritter Hildolf (1001)39) urkundlich bezeugt ist. Auch ließe sich in dem Diplom von 1139 eine Bezugnahme darauf erwarten, wenn eine derartige Konfirmationsurkunde existiert hätte. Dieser Nachweis kann im Hinblick auf die Dürftigkeit der urkundlichen Überlieferung des 11. und 12. Jahrhunderts allerdings zu keinem gesicherten Ergebnis führen. Umso triftiger ist der Nachweis unter Zugrundelegung ergiebiger Schönrainer Quellen des 16. Jahrhunderts 40). Im Verlaufe des langwierigen Prozesses, der wegen des Verkaufs von Schönrain an die Grafen von Rieneck in den Jahren 1527 bis 1534 zwischen Würzburg und Hirsau ausgetragen wurde, versuchte Bischof Konrad von Thüngen, seinen fraglichen Rechtstitel auf die Hirsauer Besitzungen um Schönrain finit sämtlichen Urkunden des Stiftsarchivs zu belegen, die geeignet erscheinen mochten, seinen umstrittenen Ansprüchen beim Reichskammergericht Geltung zu verschaffen. Zur Begründung seiner landesherrlichen Jurisdiktionsgewalt über Schönrain bezieht er sich dabei hauptsächlich auf das kaiserliche Privileg Ottos III. aus dem Jahre 1000 (Mai 30) 41), durch das die Grafschaften Waldsassen und Rangau ,cum 0mal districtu, placito et banno nostro imperiali’ dem Hochstift Würzburg zufielen. Weitere Würzburger Rechtsansprüche werden aus der Wildbannschenkung Heinrichs II. (1014) sind aus der Erweiterung dieses Wildbannbezirkes durch Heinrich IV. (1060) 42) abgeleitet. Eine Zitierung des (älteren!) Diploms von 983 wäre bestimmt nicht unterlassen worden, wenn Schönrain mit Zugehörungen in die Schenkung von 983 der „villa Scheckbach” an das Hochstift einbezogen gewesen wäre. Das war jedoch offenbar nicht der Fall.
39) Urkunde von 1001, II. 16 (MG. DU. O. III., Nr. 391) – (MB. 20a, Nr. 187, vgl. Ussermann, a. a. O., 41). – Nach Fries (bei Ludewig. a. a. O., 450) war der Ritter Hildolf von Tungenden, dem Kaiser Otto III. durch die erwähnte Urkunde die Eintauschung von Schloß und Stadt Burgsinn bestätigte, der Ahnherr des Edelgeschlechtes von Thüngen.
40) St. A. Whg.. Adel 70/1262. – Ps. A. Büd., Reichslehen Fascikel 44.
41) Urkunde von 1000. V. 30 (MG. DU. O. III., Nr. 300 – MB. 28a, S. 208, Nr. 106).
42) Urkunde von 1000, VI. 22 (Kaiserelekten Nr. 390. – MB. 29a, 144). Der dem Hochstift durch Heinrich II. im Jahre 1014 geschenkte Wildbann (Urkunde von 1014, XII. 4 – MG. DU. Heinr. IL, 326) wurde durch die Schenkung von 1060 beträchtlich nach Osten (bis zur Tauhermündung) Und Nordosten (Zeuzleben – Waigoldshausen – Hirsehfeld – Heidenfeld) erweitert. Als Grenzpunkte der vorangegangenen Wildbannschenkung von 1014, die der erweiterten Schenkung von 1000 zugrunde liegt, werden genannt: Harrbaeh – Mündung des Eger- oder Karbach, – Karbach – Grünsfeld – (Wüstung bei Remlingen) – Dotterbronn – Zellingen – Mühlhauser/Wern – Wernmündung (bei Wernfeld). – Identifizierung nach Fraundorfer, a. a. O., II. 1., 32. – Schönrain befand sich somit innerhalb der Bannbezirke beider Schenkungen.
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Das Ergebnis dieser Darlegung deckt sich mit der Auffassung von Hörnes – Kraus insoweit, als kein Zweifel besteht, daß es sich bei den Schönrainer Besitzungen tatsächlich um Eigengüter handelte. Der Meinung von Rörnes – Kraus ist auch insofern zuzustimmen, als dieser Besitz allem Anschein nach bereits vor 983 dem Waldsassengau zugehört haben muß.
Abzulehnen ist jedoch ihre Ansicht, daß der allodiale Charakter dieser Güter aus einer früheren Zugehörigkeit zur Schaippacher Feldmark abzuleiten sei, aus der sie angeblich – zu einem unbestimmbaren Zeitpunkt vor 983 – ausgeschieden seien; diese Absplitterung wird anscheinend aus dem Umstand erschlossen 43), daß sie in die Schenkung Ottos II. nicht miteinbegriffen waren. Die zufällige Angrenzung der Schaippacher Gemarkung ist bei weitem nicht ausreichend, um diese Annahme zu rechtfertigen, zumal sich aus der späteren Schönrainer Überlieferung nur gegenteilige Anhaltspunkte feststellen lassen. Gewichtige Gegenargumente werden bei der Deutung des genealogischen Problems, das damit zusammenhängt, in späteren Ausführungen erörtert.
Die Schönrainer Güter haben noch nie dem Sinn- bzw. Saalegau zugehört, sondern waren seit jeher im Waldsassengau gelegen. Trotzdem ist die Meinung von Hörnes – Kraus abwegig, der zufolge das Schönr. Allod als übriggebliebener, durch die Schenkung von 983 nicht erfaßter Restbestandteil des Schaippacher Königsgutes mit der Übereignung des Waldsassengaus durch Kaiser Otto III. im Jahre 1000 44) automatisch in den Würzburger Besitz übergegangen sei. Diese Auffassung ist nicht haltbar, allein schon mit Rücksicht auf die exemte Stellung dieser Eigengüter, die durch die Konfirmation von 1139 (,libera donatione’) 45) anerkannt und auch von Hörnes – Kraus nicht bestritten wurde. In dem Diplom des Bischofs Embrico ist kein Anklang einer Erinnerung an ein früheres Allodialrecht des Hochstifts auf die Schönrainer Besitzungen zu erkennen. Zur Beleuchtung, wie beschränkt die Pertinenzen dieses Diploms vom Jahre 1000 in ihrer faktischen Auswirkung gewesen sein mögen, sei In diesem Zusammenhang vergleichsweise darauf hingewiesen, daß zum Beispiel durch das viel weiter gehende Privileg Friedrichs I. vom Jahre 1168 46), wodurch die Herzogsgewalt des Würzburger Bischofs im Waldsassengau bestätigt wurde, – von der Cent Rothenfels abgesehen – nicht eine einzige Cent des Waldsassengaus mit Ihren sämtlichen Gerechtsamen der Würzburger Kirche vollständig zuviel 47).
43) Hörnes – Kraus, a. a. O., 451 f.
44) Mit der Schenkung der beiden Grafschaften Waldsassen und Rangau stand dem Bischof von Würzburg das Recht auf gräfliche Einkünfte und die Ernennung von Gaugrafen zu: damit war er in diesen beiden Gatten .,Inhaber aller weltlichen Gewalt, im eigentlichen Sinne des Wortes zum Christen geworden”. Ober die praktische Auswirkung dieser Schenkung vgl. Schmidt, a. a. O.. I. 1., 1 ff.
45) Urkunde von 1139: ,llbera donatione`.
46) MB. 29a S. 335.
47) Vgl. Ring in Kdm. VII (Bezirksamt Marktheidenfeld), 3/4.
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Zur weiteren Begründung ihrer als Tatsache hingestellten Hypothese wird von Hörnes – Kraus außerdem noch die Wildbannschenkung Heinrich IV. vom Jahre 1060 angeführt, die jedoch keinesfalls einen Besitzübergang herbeiführen konnte. Denn die Bedeutung von „forestis” (bzw. „forestum”) hatte mindestens seit Anfang des 10. Jahrhunderts bis in die salische Zeit eine derartige Veränderung im Sinne einer fortschreitenden Begriffsverengerung erfahren, daß sich ein Wildbannbezirk bereits im Jahre 1014, erst recht im Jahre 1060, ohne weiteres auch auf fremden Grundbesitz erstrecken konnte 48). Eine Eigentumsentäußerung an Grund und Boden war seit der Karolingerzeit längst nicht mehr damit verbunden; von einem „hinsichtlich aller Nutzungsrechte geschlossenen Gebiet” konnte jedenfalls für das 11. Jahrhundert bei einem Wildbann schon gar keine Rede mehr sein.
Gewisse landesherrliche Ansprüche, die das Hochstift im 15. Jahrhundert auf Schönrainer Besitzungen geltend machte und vermöge seiner überlegenen Machtstellung zeitweise auch durchzusetzen wußte, sind für diese Beweisführung belanglos, zumal sie nach Art ihrer Ableitung auf dem Privileg Friedrich Barbarossas von 1168 begründet zu sein schienen 49). Schönrain war trotzdem ursprünglich ein Hirsauer Eigenkloster; nicht einmal während des Prozesses mit Hirsau wurde von Würzburger Seite aus der Versuch unternommen, eigenkirchenrechtliche Ansprüche auf den Schönrainer Besitz zu verfechten. Selbst die Berechtigung einer weltlichen Jurisdiktionsgewalt Würzburgs (,jurisdictio in temporalibus’) über den Schönrainer Vogteibezirk wurde sowohl von den Hirsauer Abten wie von den Grafen von Rieneck 50) angezweifelt, wenn sie sich auch zeitweise der Würzburger Gewaltpolitik fügen mußten.
48) Vgl. Thimme, Forestis, Königsgut und Königsrecht nach den Forsturkunden vom 6. bis 12. Jahrhundert: Archiv für Urkundenforschung II, 112 f.
49) Es handelt sich um vereinzelte Ansprüche der Würzburger Gerichtshoheit (Rügegerichtsbarkeit) des Karlburger Zentgerichts über die Hintersassen des Klosters von Hofstetten, Massenbuch und Halsbach. Die betreffende Urkunde (von 1446,) gibt keinen Aufschluß über die rechtliche Begründung des rieneckischen Widerstandes gegen die würzburgisehe Gerichtshoheit, die nicht nur als der „wichtigste, sondern als der alleinige Inhalt des würzburgischen Herzogtums anzusehen ist. Aus der allgemeinen Rechtsstellung der Grafen von Rieneck ließ sich ihre Weigerung, die würzburgisehe Oberhoheit. anzuerkennen, jedenfalls nicht ableiten, denn die Rienecker waren am würzburgischen Landgericht dingpflichtig; eine kaiserliche Exemtion hat ihre Grafschaft nie erhalten. Trotzdem versuchten sie z. B. im Jahre 1524 ihr Dorf Erlabrunn, das in der würzburgischen Zent Retzstadt lag, dem Landgerichtszwang zu entziehen. Wenn das Hochstift damals auch die rieneckischen Ansprüche zurückweisen konnte, so gelang es ihm doch nicht, bei der späteren Auseinandersetzung mit den Rieneckern (1544) eine grundsätzliche Klärung der würzburgischen Landgerichtshoheit über die Zent Rieneck herbeizuführen. Vgl. dazu Schmidt, a. a. O., 89, 117.
5o) Diese Verweigerung der Anerkennung’ wurde im Jahre 1527 von Graf Philipp von Rieneck dadurch bewiesen, daß seine Vorfahren im 14..7ahrhundert (1319 bzw. 1362) den gesamten Grundbesitz Schönrains von Hirsau rechtsgültig gekauft und auch wieder an Hirsau verkauft hätten, ohne daß das Einverständnis des Würzburger Bischofs dazu eingeholt worden sei, da man es nicht für erforderlich gehalten habe.
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Somit ergeben sich aus der späteren Geschichte Schönrains keine Indizien, die den allodialen Charakter der Schönrainer Besitzungen In frage stellen, allerdings auch keine Anzeichen, die auf einen Besitzübergang an das Hochstift schließen oder einen solchen auch nur andeutungsweise vermuten lassen. Die ablehnende Entscheidung des Reichskammergerichts in dem erwähnten Prozeß zwischen Würzburg und Hirnau konnte deshalb auch durch die Berufung des Würzburger Bischofs auf die Urkunden vom Jahre 1000 und 1060 51) In keiner Weise beeinflußt werden. In den vollständig erhaltenen Prozeßakten fehlt jede Bezugnahme auf einen Besitztitel von höherem Alter und größerer Rechtskraft; daraus kann mit Bestimmtheit zum mindesten gefolgert werden, daß von einer früheren Überlegung, wie sie von Hörner – Kraus vorausgesetzt wird, zu Anfang des 16. Jahrhunderts am Würzburger Hofe nichts bekannt gewesen ist.
Es wäre immerhin denkbar, daß ein älteres Diplom des 9. oder 10. Jahrhunderts bereits damals verlorengegangen war; im Hinblick lull diese vage Möglichkeit wäre die Annahme eines zweifachen Besitzwechsels vom Reich an das Hochstift, vom Hochstift an die (trafen von Thüringen – noch nicht widerlegt.
Nach Hörner – Kraus erfolgte der zweite Besitzübergang Ende Oktober 1075, anläßlich der Zusammenkunft von Spier 52). Was den Anlag betrifft, so ist zunächst darauf hinzuweisen, daß sich die Anwesenheit der beiden thüring. Grafen in Spier gar nicht sicher belegen läßt. Unter den mitteldeutschen Adeligen, die sich zur Unterwerfung dort einfanden, wird zwar ein Graf Berengar 53) genannt, aber ohne jede nähere Bestimmung, während sein viel bekannterer älterer Bruder Ludwig nicht aufgezählt wird. Dabei wäre dessen ausdrückliche Nennung umso eher zu erwarten gewesen, als es sich bei dem Bericht über die Vorgänge von Spier um eine ausgesprochen königsfreundliche Quelle handelt, die noch dazu aus einem Kloster stammt, wo Ludwig durch seine Erpressungen besonders schwarz ungeschrieben war 54). In Erinnerung an seine früheren Übergriffe gegen die Abtei Hersfeld hätte es der Chronist dieses Klosters (Lampert) vermutlich nicht versäumt, die Demütigung dieses schlimmen „Räubers” von Klostergütern und gleichzeitig den Triumph des geliebten Königs mit besonderer Genugtuung der Nachwelt zu überliefern.
51) „Appellacionis Instrumentum”: St. A. wbg., Adel 70/1262, foL 172-175.
52) „Spiraha” (Ober- und Niederspier hei Sondershausen) – Lamperti Annalen, ad annum 1075: MG. SS. V, 238; vgl. Itinerar Adalberos: MG. SS. V, 235; siehe dazu Emmert: AU. XV. 2./3., 255. – Vber diese Zusammenkunft vergleiche Meyer v. Kn., a,. a. O., II, 534 ff.; ferner Giesebrecht, (a. a. O., III, 324), der dieses Treffen auf 26. Oktober 1075 datiert. Bruno (a. a. O., 51) nennt eis Ort den ,locus Everha’ (Hohenebra, Talebra) der beiden ,a se non loco, Sud animo Longe` auseinanderstehenden Heere.
53) Lamperti Armales (a.. a. O.): „Hudeger, Sizzo, Berengar, Bern comites”.
54) Graf Ludwig gehörte zu den mitteldeutschen Adeligen, die im Spätsommer 1073 über die Besitzungen des kaisertreuen Klosters Hersfeld herfielen, als dor Abt den Aufforderungen der Thüringer nicht nachkam, mit den Aufsllindischen gemeinsame Sache gegen Heinrich IV. zu machen. Vgl. Kaestnor, a. a. 0., 7.
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Davon abgesehen, spricht die politische Konstellation der beteiligten Personen nicht für eine Schenkung Adalberos an die beiden Grafen von Thüringen; denn Bischof Adalbero von Würzburg befand sich zur Zeit der Verhandlungen mit den Aufständischen – Ende Okt. 1075 – noch auf der Seite Heinr. IV. 55), wobei er sogar als königlicher Vertrauensmann in Erscheinung tritt 56), während die beiden Grafen Ludwig und Begengar – vorausgesetzt, daß sie auch an diesem Aufstand beteiligt waren – bestimmt im königsfeindl. Lager der mitteldeutschen Oppositionspartei zu suchen wären 57); andererseits war die politische Einstellung Adalberos wohl damals schon nicht derart königsfreundlich, daß ihm eine Schenkung aus Gründen der „Staatsklugheit” im Interesse der königlichen Sache zuzutrauen gewesen wäre, um auf diese Weise Bundesgenossen für Heinrich IV. zu gewinnen 58). Seine Berufung zum königlichen Unterhändler ist weniger als besonderer Vertrauensbeweis des Königs aufzufassen; sie entsprach vielmehr dem besonderen Wunsch der Sachsen, die sich Adalbero von Würzburg von Heinrich IV. neben vier anderen Fürsten – unter persönlicher Namensnennung jedes einzelnen – ausdrücklich zu den Verhandlungen erbeten hatten 59). Bei der verhältnismäßig weiten Entfernung Schönrains von Thüringen wäre diese Übereignung außerdem von zu geringem Wert für die Beschenkten gewesen, um einen politischen Stimmungsumschwung bei ihnen herbeizuführen oder auch nur zu begünstigen.
55) Der politische Umschwung des Bischofs Adalbero von Würzburg datiert erst nach d. Konzil von Worms (1046, Januar 24); vgl. Juritsch, a. a. O., 39 ff.
56) Adalbero fungierte als königlicher Unterhändler zusammen mit den Erzbischöfen Siegfried von Mainz und Gebhard von Salzburg, dem Bischof Embrico von Augsburg und dem Herzog Gottfried. Vgl. Meyer v. Kn., a. a. O., II, 531. – Bezeichnend für die einflußreiche Stellung, die Adalbero vor dem wormser Konzil am königlichen Hofe einnahm, ist ein Brief des zur Opposition gehörigen Bischofs Werinher von Messeburg, worin sich dieser aus seiner Gefangenschaft an Siegfried von Mainz Leid Adalbero von Würzburg mit der Bitte um Fürsprache beim König wandte; vgl. Lampen, a. a. O., ad ann. 1075. – Bruno, De bello Saxonico, a. a. O., 46.
57) Kaestner (a. a. O., 9) hält die Beteiligung Berengars unter Identifizierung des erwähnten Besengar mit dem Bruder Ludwigs des Springers, dem Grafen Besengar von Sangershausen, für sicher, die Beteiligung Ludwigs für wahrscheinlich.
58) Die allerdings dagegen sprechende große Wildbannschenkung vom Jahre 1060, die im Vergleich zu den großzügigen königlichen Begabungen anderer Bistümer unbedeutend erscheint, ist die einzige Gunstbezeugung Heinrichs IV. an die Würzburger Kirche während der Regierungszeit Adalberos; heim Zustandekommen dieser Schenkung scheint der Einfluß des Erzbischofs Siegfried von Mainz beim königlichen Hof mitgespielt haben. Vgl. Juritseh, a. a. O., 51•.
59) a. a. O., 87. – Meyer v. Kn., a. a. O., II, 531. – Adalbero genoß offenbar schon damals das besondere Vertrauen der königsfeindlichen Partei; zusammen mit den vier anderen Unterhändlern des Königs gehörte er zu den Männern, von denen die Aufständischen überzeugt waren, „daß sie von felsenfester Redlichkeit und Wahrheitsliebe wären, und was immer diese versprächen, das – glaubten sie – werde gehalten.” (Lamperti Armales, ad. ann. 1075, Oct. 22-24, a. a.. O., 235: ,Hos quinque nominatim ad celloquium suum Saxones expetierant, quod hos constantissimae fidel et veritatis esse compererant, et quicquid hi spopondissent, ratum fore haud dubio credebant.’)
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Eine nicht minder unwahrscheinliche Hypothese wird von Hörnes – Kraus vertreten, wenn sie – eine höchst problematische Verwandtschaft zwischen Königin Gisela und den beiden Grafen als historisches Faktum voraussetzend 60) – in dieser Schenkung eine „(Geste der Dankbarkeit” gegenüber der Königinmutter sehen wollen. Die verwandtschaftlichen Beziehungen – falls überhaupt welche vorlagen – können nicht so eng gewesen sein, daß Königin Gisela die Tradition Schönrains an ihre weitläufigen thüringischen Verwandten als Geste empfunden hätte, ganz abgesehen von dem geringen Umfang der übereigneten Besitzungen.
Angesichts der Geringfügigkeit der betreffenden Güter und der verhältnismäßig weiten Entfernung von Thüringen soll in diesem Zusammenhang die Möglichkeit eines Besitzwechsels in der kurzen Zeitspanne zwischen der politischen Schwenkung Adalberos und der Klosterstiftung auf Schönrain (1076-1084) als unwahrscheinlich vorerst außer Betracht bleiben. Diese Meinung würde eine zwar naher liegende, aber ebenso unbeweisbare Variation der Auffassung von Hörnes – Kraus bedeuten; sie scheidet ebenfalls aus, wie sich uns späteren Ausführungen überzeugend ergeben dürfte.
Damit dürfte hinlänglich erwiesen sein, daß die Darstellung der Gründung Schönrains, wie sie von Hörnes – Kraus berichtet wird, sowohl hinsichtlich der Motivierung der Klosterstiftung wie in Bezug auf die Vorgeschichte der angeblich wechselnden Besitzverhältnisse abzulehnen ist, da sie von falschen Voraussetzungen ausgeht: In der ersten Frage von der unrichtigen zeitlichen Ansetzung der Ermordung des Pfalzgrafen Friedrich von Sachsen, in der zweiten Frage von der durch Stein beeinflußten irrigen Annahme, daß Schönrain als abgesplitterter allodialer Restbestandteil der Schaippacher Feldmark durch die Schenkungen des Waldsassengaus vom Jahre 1000 bzw. des königlichen Wildbanns (1060) dem Hochstift zugefallen sei. Nach dem grundlegenden Irrtum dieser Einrechnung Schönrains In die genannten Schenkungsakte Ottos II. und Heinrichs IV. sahen wich die beiden Verfasser genötigt, zu kühnen Theorien ihre Zuflucht zu nehmen, um eine, wenn auch gesuchte Erklärung für die erstaunliche Tatsache zu finden, daß zwei Thüringer Grafen am Mittelmain um das Jahr 1080 als Besitzer des Schönrainer Gebietes erscheinen. Der verfehlte Versuch von Hörnes-Kraus, dieses schwierige Problem zu lösen, wurde, von sämtlichen späteren Darstellungen über Schönrain übernommen, blieb jedoch in der thüringischen Landesgeschichte völlig unbeachtet, obwohl er für die Beweisführung der älteren Schule der thüringischen Forscher sehr gut gepaßt hätte, um den einheimischen Ursprung des ersten thüringischen Landgrafengeschlechtes glaubhaft zu machen.
60) Die angebliche Verwandtschaft mit Kaiser Konrad II. und seiner Gemahlin Gisela wurde bereits von Groß (a. a. O., 37 ff.) und Knochenhauer (n. a. O., 37) zurückgewiesen; der sagenhafte Charakter dieser Verwandtschaft kann als erwiesen gelten, nachdem die Urkunden Konrads II. (von 1044, April 27) und Heinrichs III. (von 1044, Aug. 28) als Fälschungen erkannt sind. vgl. Naude, a. a. O., 58, 86, 103 ff.
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