
Der Ziegelbach reihte eine Kette von Mühlen auf
Sie waren einst die Zwischenstation für das tägliche Brot der bäuerlichen Bevölkerung der Fränkischen Platte
von Vinzenz Stenger
Erschienen in der Lohrer Zeitung im Januar 1975.
Textkopie aus Zeitungsausschnitt
Zwischen Schönrain und Salzberg mündet der Ziegelbach in den Main. Er hat seinen Ursprung auf der Fränkischem Platte, dem ältesten agrarwirtschaftlichen Kulturland in unserem Siedlungsgebiet in unserer engeren Heimat. An seinem Laus befanden sich einstmals sechs Mühlen, von denen einige noch, wenn auch nicht mehr im Betrieb, vorhanden sind. Die fortschreitende Technik hat ihnen die Daseinsberechtigung genommen. Wie lange noch, dann wird die Romantik dieses Mühlengrundes völlig verschwunden sein. Denken wir nur an die Planung der Bundesbahnschnellstrecke, die dieses Tälchen in Anspruch nehmen will. – Altbürgermeister Vinzenz Stenger aus Halsbach bringt, nachfolgend die Mühlen des ZiegelbachtaIes in Erinnerung und zeichnet damit eine über Jahrhunderte gehende familien- und heimatkundliche Episode auf. Damit vermag er die Geschichts- und Heimatfreunde anzuregen, von Wiesenfeld aus bis zur Kreisstraße Steinbach – Hofstetten das romantische Tälchen, des Ziegelbaches zu durchwandern, um sich nach alten Kulturstätten umzuschauen.
Als es noch keine Dampfmaschine und Motoren und Elektrizität gab, versuchte sich der Mensch die Naturkraft nutzbar zu machen. Im Flachland waren es die Windmühlen, die den Wind in Nutzkraft umsetzten, in Gebirge und im bergigen Land, wo die Wasserläufe ein mehr oder weniger starkes Gefälle hatten, waren es die Wasserräder, die dieses Gewässer in Nutzkraft umsetzten. Die Räder (Radspeichen) waren aus Holz auf einer Eisenwelle befestigt. Es gab zwei verschiedene Antriebsarten für die Wasserräder: Unterschlägige, bei schwachem Gefälle und starkem. Wasserlauf (Maintal), wo das Wasser- die Schaufeln von unten füllte und Oberschlägige bei starkem Gefälle und geringerem Wasserlauf, wo das Wasser von oben auf die Schaufeln der Wasserräder füllten Lind in Bewegung setzten.
Mahlvorgang: In der Mühle waren zwei kreisrunde Mühlsteine aus hartem Gestein (Quarz) von einem Meter und mehr Durchmesser übereinander liegend angebracht. Während der untere Stein festlag, drehte sich der -obere durch die Wasserkraft. Das Getreide floss aus einem Trichter in eine kleine Öffnung zwischen den Steinen und wurde zerrieben. Mehl und Kleie wurden durch Rüttelsiebe und Tücher aus Seide getrennt und in Kästen aufgefangen. Zum Schroten von Getreide für Viehfutter waren meist noch zwei Mühlsteine vorhanden.
Mittels der genannten Eisenwelle übertrug sich die Kraft und setzte die Mühlsteine und dgl. in Bewegung. Im Ziegelbachtal gab es nur Mühlen mit oberschlägigen Wasserrädern. Diese hatten einen Durchmesser von mindest vier Metern. Die aufgebauten Schaufeln zum Aufnehmen des Wassers waren mindest 50 cm breit und 30 cm tief. Während allgemein die Wasserkraft verschiedenartig genutzt wurde, z. B. Eisenhämmer, Sägewerke, waren es im Ziegelbachtal mit einer Ausnahme nur Mahlmühlen, das heißt, es wurde für die Bauern aus der Umgebung das Mehl für das tägliche Brot gemahlen, eventuell auch Getreideschrot zum Füttern. Manche Bauern brachten ihr Getreide selbst zur Mühle, meist aber holte der Müller das Getreide bei den Bauern ab und brachte das Mahlgut, Mehl und Kleie, zurück.
Von 100 Pfund Getreide – meist Roggen – erhielt; der Bauer 65 Pfund Mehl und 15 Pfund Kleie. 15 Pfund rechnete der Müller für Mahllohn – Mitzen genannt fünf Pfund für Verluste (Verstaubung).
Die Mühlen lagen ja im Tal. Bergab konnte schwerer geladen werden als bergauf. So hätte es das Gespann leichter, da ja statt 100 Pfund bergab nur 80 Pfund bergauf zu liehen waren.
Zu den Mühlen im Ziegelbachtal.
Nach einer Federzeichnung von einer Flurbegehung der Schöffen (Feldgeschworene) um 1577 waren es um diese Zeit im Ziegelbachtal fünf Mühlen. Ein im Vermessungsamt Lohr vorliegender Ortsplan von 1840/46 weist sechs Mühlen auf. Die letzte Mühle vor der Mündung des Ziegelbaches in den Main, wo noch ein Kellergewölbe vorhanden , ist – wurde erst nach 1700. gebaut.
Die erste Mühle unterhalb Wiesenfeld – Obermühle genannt – stand etwa 600 m oberhalb der Knoblachsmühle, rechts am Hang. In dem im Vermessungsamt in Lohr vorliegenden Ortsplan von 1840/46 • ist die Mühle noch eingezeichnet, jedoch als kleine Mühle. Diese wird wegen der noch geringen Wasserkraft wenig leistungsfähig gewesen sein. Es wird erzählt: Zuletzt wohnte nur noch der Müller allein in der Mühle, Er hätte die Mühle angebrannt und vom Wald aus dem Feuer zugeschaut. Als Feuerwehr und Polizei kamen, hätte er gesagt: „Lasst doch das Mühlehe brennen, hab so schon genug gegrinne (geweint)!’ Er sei dann in eine Nervenheilanstalt gekommen. Das war so um 1850.
Wo der Wald links bis an den Bach vorspringt, ist rechts eine Erhöhung in der Wiese, unterhalb dieser entspringt eine starke Quelle, jetzt in den Bach eingeleitet. Da wird die Mühle gestanden haben. Die zweite Mühle 1577 und noch 1846 Knoblachsmülhle genannt. Von dieser Mühle steht noch die Scheune. Diese war landwirtschaftlich am günstigsten gelegen in schöner sonniger Lage. Zur Mühle gehörten 12 ha landwirtschaftliche Nutzfläche. Diese Mühle war Eigentum der Freiherrn von Hutten in Steinbach, die ja in Wiesenfeld ein 150 ha großes Gut besaßen und noch 40 ha Wald, wovon 36 ha im Tal gegenüber der Kargesmühle lagen. Die Mühle samt Landwirtschaft war verpachtet. Der letzte Pächter war Theodor Kohlhepp, geboren in Rohrbach; war Gemeindeschäfer. in Halsbach und pachtete 1903 dieses Anwesen. Er legte die Mühle still und betrieb neben der Landwirtschaft eine eigene Schäferei. 1917 kaufte Kohlhepp in Rettersbach ein Bauerngut, behielt aber. dieses Anwesen dabei. 1920 wurde Wohnhaus mit Mühle durch die Hutten`sche Verwaltung abgebrochen. Der Sohn Hermann kaufte 1949 das gesamte Anwesen und bewirtschaftete es von Wiesenfeld aus, wie schon zuvor- seit 1925.: Die gut erhaltene Scheune ‘wurde als Schafscheune benutzt. Z. Zt. wird der größte Teil der landwirtschaftlichen Nutzfläche als Schafweide genutzt wird noch mit Getreide angebaut.
Die Kargesmühle im Ortsplan von 1846 so genannt, 1577 Gelsenmühle; liegt links des Baches. Am Haus steht die Jahreszahl 1720. Das Gebälk der Scheune Ist von der 1894 eingelegten Talmühle, Zur Mühle gehören etwa zehn Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche, zusammenhängend in starker Hanglage und schwer zu bewirtschaften, dazu noch im Tal mehrere Holzschläge. Feld und Wiesen liegen größtenteils, der Wald ganz auf Halsbacher Markung. Das Gehöft dagegen liegt fast ganz auf Wiesenfelder Markung. Nach alten Urkunden bestanden dort öfter Grenzstreitigkeiten wegen Gemarkungsgrenzen Halsbach/ Wiesenfeld. Es wird erzählt: Der frühere Mühlenbesitzer war bankrott. Andreas Wiesner aus Schaippach war Knecht in Halsbach Hs. Nr. 3. Er kaufte die Mühle vom Bankhaus Merger in Kitzingen, Filiale in Karlstadt. Das war 1872. Seine erste Frau aus Hs. Nr. 3 in Halsbach war kinderlos. Aus seiner zweiten Ehe (1902) mit Margaretha, geb. Brückner, aus Halsbads Hs. Nr. 19 stammten zwei Söhne Otto, geb. 1903, und Josef, geb. 1904. Die östlich des Baches gelegenen Wiesen kaufte Wiesner noch dazu. Die Mühle war bis kurz nach dem ersten Weltkrieg noch in Betrieb, Teile der Mühleneinrichtung sind noch vorhanden.
Das Mühlrad hatte einen ‘Durchmesser von fünf Metern, die Schaufeln 50 cm breit und 30 cm tief. Die Mühlsteine hatten einen Durchmesser von einen Meter, die Steine für Schroten waren etwas schwächer. Die Mühle war für die damalige Zeit gut eingerichtet. Mittels einer langen Welle konnten mit Wasserkraft auch Maschinen im Hof angetrieben werden. Nach dem Tod des Andreas Wiesner1920 führten die beiden Söhne die Landwirtschaft weiter. Die Mühle wurde nur noch für den Eigenbedarf benutzt, 1935 übernahm Josef das Anwesen. Er kam vom Krieg nicht mehr heim. Dann führte sein Bruder die Landwirtschaft. Im März 1948 wurde die Mühle. von drei Polen überfallen. Otto hatte drei Rippen gebrochen und schwere Kopfverletzungen. Er stellte sich tot; da ließen die Polen ab und flüchteten, Noch in der Nacht wurden sie in Harrbach an der Fähre, verhaftet. Otto starb 1969. Seitdem betreiben die Frau des Josef Wiesner, die kinderlos war, und die Frau des Otto Wiesner mit ihren vier Kindern mühselig die Landwirtschaft. Wie lange noch?
Die Veitenmühle, 1577 Stiermühle, bei der Katasteranlegung 1840 Freitagsmühle genannt (die Namen der Mühlen wechselten oft nach dem Namen des jeweiligen Eigentümers), wird erwähnt, als 1084 das Kloster Hirsau den Berg Schönrain erwarb und darauf ein Kloster (Prioriat) baute. Zur Mühle gehörten, die umliegenden Felder und Wiesen, ca. fünf. ha, und 4,50 ha Wald. Um 1800 nannten sich die Besitzer der Mühle Freytag, daher der Name der Mühle.
Im Besitzerverzeichnis von 1783 ist der name Hans Freytag, 1831 Georg Freytag, danach und 1851 Anna Maria Klühspies Witwe, 1860/70 Michael Klühspies, 1884 Josef Schmitt, 1900 Josef Schmitt, 1920 Adalbert Schmitt
Aus dem Gemeindeprotokoll 28. September 1844: Die sogenannte Veitenmühle, Eigentümer die Witwe Maria Klühspies, seit 25. Mai 1840 von Leonhard Gerschütz gepachtet, pachtet nun Müllermeister Florian Maler aus Retzbach.
18. Februar 1841. Die beiden ledigen Schwestern Barbara und Anna Maria -Freitag verpfänden unter denn Heutagendem Ortsnachbar: Michael Ebert dahier für ein Darlehen von. 11;,fl. ihre beiden, Ziegen.
Unterschriften: Gemeindevorsteher Riedmann, Schreiber, Behringer.
Standesamt: Der Müller Josef Schmitt; geb. 2 Juli. 1856 zu Schönau, heiratet die Maria Klühspies, geb. 10: August. 1851 in der Veittenmühle. Josef Wohlfahrt kaufte 1924 das gesamte Anwesen von Adalbert Schnitt, Sein Vater Josef Schmitt stammte ans Schönau. :Er bekam die Mühle durch Einheirat. Wohlfahrt hatte die Mühle modernisiert, baute statt dem Mühlrad eine Turbine ein. Die Mühle brannte 1931 ab, wurde wieder aufgebaut. Die Mühle war bis, 1961 in Betrieb. Der Sohn Franz Wohlfaht hatte sie übernommen. Franz Wohlfahrt verunglückte im Januar 1961 mit seinem Wagen (Auto) am Steinbacher Berg tödlich. Seitdem steht die Mühle still. Die Witwe Agnes Wohlfahrt betreibt wohl eine kleine Landwirtschaft: leidlich weiter. Auch diese Grundstücke sind’ schwer zu bewirtschaften. Eine landwirtschaftl. Abfindungsbrennerei bringt noch eine Nebeneinnahme.
Weiter unten im Tal, unterhalb des Schönrains, standen noch zwei Mühlen, die Ziegel mühle, zuletzt Heppelsmühle, und die Thalmühle, zuletzt Betzenmühle genannt. Die Äcker dieser Mühlen waren gegenüber am Osthang des Talbergwaldes, heute mit Wald bepflanzt. Beide Mühlen samt allen Grundbesitz kaufte Baron von Hutten in Steinbach und ließ diese um 1894 einlegen, angeblich wegen der starken Wilderei. ‘
Die Heppelsmühle 1577 und später Ziegelmühle genannt, wurde gleich der Stiermühle ebenfalls beim Erwerb des Berges Schonrain 1084 erwähnt, Die Mühle lag südlich des Schönrain-Berges, das Triebwasser zur Mühle wurde bei der Quelle zur heutigen Wasserleitung in Halsbach im Graben den Wald entlang zugeleitet. An Namen der Eigentümer der Mühle sind noch Fischer, zuletzt Mehling und Heppel bekannt.
Nach Berichten aus dieser Zeit soll die Mühle in schlechtem baulichen Zustand gewesen sein, die Eigentümer finanziell schlecht gestellt, wie Berichte aus Armenpflegschafts und Gemeindeausschußsitzungen bestätigen.
Nach einem Sitzungsprotokoll von 1886 hatte Peter Heppel der Gemeinde Halsbach die Mühle zum Kauf angeboten. Wegen Überschuldung dieser Mühle lehnte der Gemeindeausschuss den Kauf ab.
Die letzte Mühle, die Thalmühle, stand südlich des Schönrainberges, wo noch ein Kellergewölbe vorhanden ist. Diese Mühle wurde erst nach 1700 gebaut. Soviel aus Urkunden zu entnehmen ist, hat die Mühle ein Freidach, gebaut wohl aus der Veitenmühle – damals Freitagsmühle – stammend. Diese Freitags sollen sehr wohlhabend gewesen sein. Interessant ist, dass ein Knecht der Thalmühle geheiratet hat und trotzdem als Knecht mit höherem Lohn behalten wurde, was um diese Zeit sel ten war. Das Mühlanwesen soll noch bei sei Einlegung 1894 ein stattliches Gehöft gewesen sein. Nach einer Urkunde im Halsbaches ‘Weisbuch von 1693 vom .16. Juli 1748 beschwerte sich der Besitzer der Ziegelmühte über die Konkurrenz dieser Neumühle, das Vereinbarungen nicht gehalten würden. So entschied nach vergeblicher Warnung der Fürstbischof von Würzburg . mit Erlass , vom 16. Juli ; 748, dass das Mahlrecht in der Umgebung dem Ziegelmüller zusteht; der Thalmüller – Neumüller genannt – solle sich Landschaft woanders suchen.
Ein Vetter aus Neuendorf erzählte in meiner Jugend, etwa 1908/10: ‘Die Betzemühle – so genannt, weil deren Eigentümer Betz hieß, war eine Gipsmühle. Die Steine kamen mit dem Schiff aus Wernfeld-Sachsenheim, wo ebenfalls eine Gipsmühle war. Die Mühle hatte eine eigene Laderampe und eigenen Zugang zum Main – Gipsrutsche genannt – wo die Steine ausgeladen und der gemahlene Gips eingeladen wurde.”
Der: gemahlene Gips – schwefelsaurer Kalk – wurde wohl damals unter anderem auch als Düngemittel, besonders bei Klee verwendet. Der Erfinder des Blitzableiters Benjamin Franklin – 1706-1790 in Nordamerika – war nebenbei ein fortschrittlicher Landwirt. Um den Farmern zu beweisen, daß Gips eine gute Düngerwirkung hat, streute er auf seinem an, der Straße gelegenen mit Klee bestellten Acker Gips in mannsgroßen Buchstaben „Hier ist gegipst”. An den dunklen Streifen mit auffallend besseren Bestand sah man die Wirkung. Das war um diese Zeit. So ‘wurde in früheren Zeiten die Wässerkraft des Ziegelbaches voll genutzt, vor allem zur Versorgung der Bewohner der umliegenden Dörfer mit Mehl. Die Wasserführung des Baches war nicht sehr stark. In anhaltenden Trockenzeiten reichte manchmal die Wasserkraft, nicht zum Antrieb des Mühlrades. So musste bei stärkerer Wasserführung auf Reserve gemahlen werden.
Wie überall durch Entwicklung der Technik hat sich auch hier alles geändert. Von den sechs Mühlen sind zwei ganz verschwunden, die Obermühle und die Ziegelmühle, von, der KriobIachsmühle steht noch die Scheune, von der Thalmühle ist noch ein Kellergewölbe vorhanden.
Die Karges- und Veitenmühle sind noch bewohnt, der Mühlenbetrieb stillgelegt. Wie lange wird es noch dauern, bis auch diese verschwinden, wenn diese nicht für andere Zwecke – Fremdenpension, Weide und Schaf- oder Ponnyhaltung genutzt werden.
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