Die abgebrochene hirsauische Kirche
aus "Die Klosterruine Schönrain" von Dr. Rudolf Kuhn
Das größte Problem bei der Analyse der Schönrainer Ruinen ist das der hirsauischen Klosterkirche. Praktisch gibt es außer einem, seinerzeit vom Geschichtsverein Lohr freigelegten und fotografierten Vierungs-Pfeilerrest (Basis) und den Säulen, samt Kapitellen und Schachbrettfries, keinerlei Anhaltspunkte. Man ist also auf stilkritische Vergleiche evtl. Berechnungen auf Grund der Säulenhöhen angewiesen.
Schon Weigand (S. 68, 69) weist darauf hin, dass die Erbauung der Schönrainer Kirche sich bis in die Zeit des Abtes Bruno (1105-1119) hingezogen habe. Er vermutet eine flachgedeckte dreischiffige Säulenbasilika mit triapsidialen, parallelen schwäbisch-bayrischen Chorschluss und westlicher Vorhalle hin. Er spricht vom „Typ Aura” vielleicht mit Türmen über den östlichen Chorseitenschiffen, besser -kapellen. Wörtlich sagt er: „Die wenigen Spoilen, die von der Klosterkirche erhalten blieben, lassen auf beträchtliche Ausmaße schließen.” Er zitiert Bahmann, der Plinthen- und Schaftbreiten der Säulen von Aura und Schönrain gegenüberstellt.
Schönrain: Plinthe: 103 cm breit / Schaft: 76 cm breit
Aura: Plinthe: 85 cm breit / Schaft: 55 cm breit
Daraus geht hervor, wie er an sich sehr richtig vermutet, dass Schönrain die Kirche in Aura wesentlich übertroffen haben muss in allen Ausmaßen. Man kann natürlich auf Grund der Säulenmaße die Ausmaße der Schönrainer Kirche einigermaßen ausrechnen. Dies aber kann keinesfalls eine eingehende Grabung – mindestens im Vierungsbereich ersetzen. Selbst die sicherlich in situ befindliche, vermutlich nordwestliche Vierungspfeilerbasis gibt nur Anhaltspunkte.
Es wäre, infolge der Geländeverhältnisse, nahe liegend die Stätte der Klosterkirche an die Stelle des heutigen Schlösschens zu versetzen. Dieses ist zwar großenteils aus den schön behauenen „hirsauischen” Quadern der Kirche erbaut und einige Säulen befinden sich in dem Keller beträchtlichen Ausmaßes. Gerade aber das – abgesehen von der Basis des Vierungspfeilers östlich des Schlösschens – spricht ebenfalls dafür, dass die Kirche auf dem heutigen im nordöstlichen Klosterbereich befindlichen Grasplan gestanden haben muss. Sowohl Aura wie die wenig veränderte Kirchenruine St. Gotthardsberg bei Amorbach stammen wenig später aus der Zeit um 1133. Gotthardsberg ist zwar eine Pfeilerbasilika wie St. Jakob (Don Bosco) in Würzburg (1134), aber gerade sie hat auch den Schachbrettfries wie in Schönrain – einen gerade geschlossenen Chor mit nur einer (vermutlich früher zwei) Seitenkapellen.
Die Gesamtlänge beträgt etwa 30 Meter. Aura (ohne die nur vermuteten Apsiden) etwa 34 Meter (auch ohne die Vorhalle). Wenn wir den Typ und die Maße Auras – ohne Vorhalle – in das Klostergelände von Schönrain eintragen, mit der Chorpfeilerbasis als Fixpunkt, dann dürfte dies passen, selbst dann, wenn man noch drei Apsiden annimmt. Allerdings in nordöstlich-südwestlicher Richtung parallel zur Bergplateau- und Arealrichtung. Dies ist nichts außergewöhnliches, da es hierfür Dispensen gab. Ob allerdings eine südwestliche Vorhalle bestanden hat, ist sehr zweifelhaft und zwar wegen des nicht allzu umfangreichen Klosterareals selbst. Über evtl. Türme lässt sich ebenfalls nichts Sicheres aussagen. Es ist auch nicht unbedingt gesagt, dass die Schönrainer Klosterkirche wegen der Säulenmaße größer gewesen sein muss: manchmal gab es auch da Abweichungen, vor allem dann, wenn Pläne geändert werden mussten, aus welchen Gründen auch immer. Jedenfalls war es eine imposante Kirche an dieser verhältnismäßig abgelegenen Stelle, die noch dazu nicht so leicht zu erreichen war. Hier erhebt sich nun wiederum die Frage: warum gerade hier ein solcher beachtlicher Bau? Wiederum muss ich auf die an anderer Stelle geäußerte Ansicht zurückgehen, dass nämlich die Klostergründung sehr früh gewesen sein muss – die karolingisch-bonifatianische Zeit erscheint hier keineswegs so abwegig zu sein – und – es muss einen besonderen Grund gerade für diese Stelle gegeben haben. Auch hier glaube ich nachdrücklich wiederholen zu müssen: der Grund reichte sicher in die vorchristliche Zeit zurück.
Das südöstlich gelegene Ruinenstück des inneren Klosterbereich, das ich für das älteste halte, dürfte eine Saalkirche vom Ausmaß etwa 6 X 12 m gewesen sein. In sie führte die Pforte mit dem würdevollen KAROLINGISCHEN TÜRGEWÄNDE, das Verriegelungsrinnen zeigt. Ohne Rücksicht auf den heute vorhandenen oftmals ausgebesserten und veränderten Mauerbestand dürfte es sich doch um eine der ältesten Kirchenstätten des Frankenlandes handeln (vgl. St. Martinskapelle Würzburg innen 11,80 X 5,50 m (bzw. 12,60 X 6 m außen) ohne Chor, Kap. Margarethenhof/ Neustadt a. Main 11,10 X 5,50 m).
So besteht die merkwürdige Tatsache, dass die eigentliche älteste Kirche von Schönrain noch nachweisbar ist, während die hirsauische völlig vom Erdboden verschwinden musste, weil man vollendete Tatsachen schaffen wollte und sich dabei noch die Mühe machte – um das Gedächtnis an eine Klosterkirche auszulöschen – auch noch gewaltige Säulen in den Keller des Neubaus, des Witwensitzes hinunterzuschaffen – abgesehen von den anderen Spoilen, die sich im Lohrer Heimatmuseum und selbst in Adelsheim befunden haben (Kapitell).
Abschließend wäre zu sagen, dass – ohne die wirklich einmalige gegenwärtige Ruinenromantik des herrlichen Fleckchens Erde zu stören, man sich doch entschließen sollte, eine behutsame Grabung vorzunehmen, um die noch offenen Fragen der Kirche zu beantworten, kunstwissenschaftlich wie kulturhistorisch handelt es sich doch bei dem Klosterbereich von Schönrain offensichtlich um eine der interessantesten und zugleich schönsten Stätten am Untermain in Franken.So ist dem gelehrten Schottenabt von St. Jakob in Würzburg beizupflichten, wenn er in den Annales Hirsaugienses 1, 304 geradezu begeistert sagt:
Est autem locus ipse Schonrein in diocesi Herbipolensi juxta Moganum fluvium in monte, situ amoenus, aere salubris et solitudine sua ad monasticam institutionem valde indoneus. So gibt es auch einen Ort Schönrein im Bistum Würzburg, gleich beim Mainfluss auf dem Berge an schönem Ort gelegen, in gesunder Luft und wegen seiner Einsamkeit für ein Kloster sehr geeignet !
In unserer verworrenen und hektischen Zeit ist Schönrain zwar keine klösterliche Einrichtung mehr, aber ein idyllischer Zufluchtsort der gehetzten Menschen. Dies möge er bleiben !
Aus den Schriften des Geschichtsvereins Lohr a. Main –
“DIE KLOSTERRUINE SCHÖNRAIN”,
Kunsthistorische Analyse und Würdigung der Baureste von Dr. Rudolf Kuhn im Dez. 1974.