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Das Karolingische Portal

aus "Die Klosterruine Schönrain" von Dr. Rudolf Kuhn

In der südöstlichen Ecke der Ruine Schönrain befindet sich ein merkwürdig an die Maße früher Saalkirchen erinnernder Raum (ca. 13 x 5,76 m), der zwar mehrfach in seinem Mauerwerk ausgebessert oder umgebaut ist, sicherlich nicht mehr die originale Ost- und Westseite besitzt. Eine Grabung dürfte auch hier zu Erfolg führen. Das Bemerkenswerteste an diesen Mauerresten ist ein Portalgewände, durch das heute eine Treppe auf den südwestlichen Grasplatz innerhalb der Umfassungsmauern des früheren Klosterbereiches führt.

Es besteht aus einer tiefer liegenden Schwelle, zwei einfachen Rotsandsteintürstöcken (Höhe 192, Breite 20 cm), von denen der westliche ziemlich ramponiert, aber auch der östliche bearbeitet ist. Die Türgewände setzen sich nach innen in mächtigen Platten von 82 cm Breite fort (Mauerstärke 80 cm). Der Türsturz ist ein flacher Dreiecksgiebel von 37 cm Höhe, 1,67 m Länge und ca. 20 cm Dicke. Er ist beiderseits über den Türstöcken so gefalzt, daß er sich auch ohne Mörtel in die Türgewände einpasst. Die Innengewände zeigen Löcher für die mehrfach heraus gebrochenen Angeln und den Anschlag sowie die gekurvte Vertiefung für einen Sperrbalken und – gegenüber – dessen Anschlag, sowie die Ritzzeichnung eines frühen Kreuzes. – Abgesehen von der Lage der Mauern, die vermutlich die erste Kapelle auf Schönrain umschlossen haben dürften, war sie auch für Verteidigung vorgesehen, wie die Balkenverriegelung zeigt. Die „Sage” von dem St.-Lioba-Klösterchen, ist also offenbar gar nicht so sagenhaft, noch dazu, da die Portalform in recht frühe Zeiten weist – Balkensicherungen hatten die meisten frühen Kirchenanlagen.

Das Portal ist ohne den geringsten Schmuck und wirkt allein durch seine archaischklassische Monumentalität. Bevor wir auf andere frühe unterfränkische Portale eingehen, müssen wir einige Charakteristika der karolingischen Portale aufzeigen. – Meist haben sie einen geraden Sturz, jedoch meist ornamentiert (Engelstadt, Pfaffenhofen, Bierstadt, Pfeddersheim (n. Burkhard Meier, Die romanischen Portale zwischen Weser und Elbe TF 1). Darüber aber haben sie meist einen Entlastungsbogen (Engelstadt, Soissons). Die Türgewände sind manchmal monolith (Albsheim an der Eis, Winkel, Rhabanushaus), manchmal aus Quadern (Soissons) zusammengesetzt, manchmal alterierend (Engelstadt). In Albsheim (Rheinpfalz) befindet sich das vielleicht ähnlichste frühe Portal im Vergleich zu Schönrain: Türgewände und Sturz sind nahezu rechteckig, dabei ist in den Sturz ein flacher Dreiecksgiebel (wie auch in Winkel) eingekerbt, das Ganze jedoch völlig schmucklos. Meier lässt sich auf keinerlei eindeutige Datierungen ein, aber die Möglichkeit sehr früher Zeit offen. – Fest steht auch, dass die Giebelportale vom Rhein her (Pfalz, Rheinhessen) kommen und natürlich formal aus der Antike abzuleiten sind. Da das Portal in Schönrain ohne Ornament ist, können wir leider nicht auf die künstlerisch wie technisch hochinteressante Ornamentik der meisten Portale hier eingehen (z. B. Bierstadt 170 x 45 cm). Ich habe dies anderwärts getan (Rudolf Kuhn, Neumünster – Kreuzgang und Walthergrab in Würzburg).Ein Ornamentstein, der karolingische Türsturz von Pfaffenhofen (Hessisches Landesmuseum) in Wiesbaden wird uns mit seiner Spiralornamentik im Zusammenhang mit den alten Würzburger Domportalen beschäftigen. – Der Falz im Schönrainer Türsturz gibt uns den Hinweis auf ein weiteres karolingisches Portal: das des Einganges zur Krypta (Nordportal) in Soissons (Abb. b. Jean Hubert-Jean Porcher, Karolingische Kunst S. 278). Zwar hat dieses Portal den Entlastungsbogen über einem geraden Türsturz – wie später noch in St. Michael in Hildesheim – übereinstimmend jedoch ist der Falz im Türsturz von der Breite der Türgewände. Die Falze sind funktionell genau die gleichen wie in Schönrain. Ein frühes Portal dieses Systems ist einzigartig in ganz Franke Wir haben, wie ich ‘bereits in meiner Monographie St. Achatius in Grünsfeldhausen badisch Franken) ausführte (Abb. S. 45) noch andere frühe Portale in Franken: Wegfurt am Kreuzberg in der Rhön und die drei frühen, wenn nicht die frühesten Dompforten in Würzburg, die Stürze der „Roten” und der „Grünen Türe” (nach den jeweiligen Sandsteinfarben benannt) und einen weiteren (KDB Bd. XIII S. 633/635). Hinzukommen die Hessischen in Pfeddersheim und Geisenheim, beide karolingisch. Sie haben sämtlich Giebelformen: flachere Pfeddersheim und Geisenheim, steiler die von Wegfurt, sehr flach die Würzburger Dompforten. Der Sturz des „Hofes zum Grünen Stein” (ehern. Franziskanergasse) entspricht vollends in Form und fast genau in den Maßen jenem vom Schönrain. Auch Maier bildet (Tf. XVIII, 51) einen frühen giebelförmigen Sturz ab, der in der Form Schönrain entspricht, jedoch mit kurvenden Palmetten und einem Vogelpaar geziert ist, aus Landsberg. Auch die dortigen Gewände sind monolith, vermutlich aber erneuert. Meier lässt die Entstehungszeit offen, lässt aber frühe Datierung zu. Von den fränkischen Türstürzen scheint jener aus Muschelkalk in Wegfurt der älteste zu sein. Ich habe ihn in das 9./10. Jhdt. eingereiht.

Möglicherweise handelt es sich um eine Darstellung der „Erlösten Welt” mit dem Vortragkreuz, an dem – typisch langobardisch – zwei tropfenförmige Juwelen hängen, zwischen zwei Weltensäulen, darüber ein schachbrettähnliches Ornament, das ebenso den „Tau der Gnade” darstellen kann, aber auch ein Regensymbol sein könnte, daneben, übereinander X-förmige Zeichen, die Ewigkeitssymbole der germanischen Vorstellungswelt. Das Kreuz zwischen Sonne und Mond und den anderen Symbolen könnte man geradezu als einen „steinernen Wettersegen” bezeichnen, wenn man der psychologischen Vorstellung der Frühzeit folgt. Ganz deutlich wird Ähnliches auch am Geisenheimer und Bierstadter Türsturz mit Kreuz und Wolfszahnornament (vgL Bernd Fäthke, Der Atavismus des Bierstädter „Türsturzes”, Nassauische Annalen 1974). Die Unregelmäßigkeit des „Sturzes” lässt wohl auf einen unschädlich gemachten” abgeflachten Opferstein schließen (vgl. Würzburg, Domapsis und Halberstadt, Dom, beide jedoch in anderer Lage). – Die beiden Domportalstürze aus Würzburg – einer davon im Mainfränkischen Museum ebenda angeblich nicht auffindbar – zeigen die meisterhafte psychologische Einfühlungsgabe der frühen Missionare bzw. der Geistlichkeit der Frühzeit. Einmal erscheint das Kreuz zwischen zwei Irminsul-Lebensbaum-Motiven, von Astralzeichen flankiert, am andern die Irminsul zwischen zwei Vortragkreuzen flankiert, bei denen von einem zum anderen ein Blitz überspringt (vgl. den „Regen” auf dem Wegfurter Türsturz !). Im Zusammenhang mit dem Dombau selbst werden sie meistens um 1040 datiert, wie ich es selbst (Rudolf Kuhn, Großer Führer durch Dom und Neumünster etc.) ebenfalls getan habe. Nun bin ich jedoch mit Prof. Clemens Schenk t (Die Allerheiligenkapelle am Würzburger Dom,Wbg. 1944, leider noch immer Manuskript) der Meinung, daß es sich um die Übernahme älterer Portalstürze handeln könnte. Dies entspräche nicht nur der hohen liturgischen Funktion eines Portalgis (wofür die Frühzeit einen besonders aufgeschlossenen Sinn hatte), sondern auch der Umstand, dass die Stürze nicht – wie sonst leider üblich ! – als Mauersteine verwendet worden sind, sondern an markanter Stelle in Kurien eingemauert wurden und ihnen z. B. beim „Hof zum Grünen Stein” sogar den Namen gaben, erscheint nicht unwichtig. In früheren Arbeiten, auch im Inventar und in Museen besteht auch heute noch z. T. die Tendenz, derartige frühen Portale zu spät anzusetzen. Obgleich oft die Meinungen auseinander gehen, halte ich im Falle Schönrain infolge der angegebenen Kriterien an der karolingischen Datierung fest: infolge der schlichten Monumentalität und der glücklichen Maßverhältnisse (vgl. hier auch die fast übereinstimmenden Maße des Sturzes vom Hof „Zum Grünen Stein” 115 x 36,5 cm mit Schönrain I). Ein Entlastungsbogen war in Schönrain wegen der geringen Gebäudehöhe nicht notwendig. Offen muss jedoch bleiben, ob der Stein bemalt war. In halber Höhe erscheint ein frühes Kreuz eingeritzt zu sein. Die primitive und daher frühe Sperranlage, die mächtigen Gewände deuten ebenfalls auf recht frühe Entstehungszeit hin.

So ist denn das Schönrainer Portal (Gewände ca. 20 x 82 cm, Sturz 144 x 37 cm, Schwelle ca. 170 cm, Giebelschrägen 83 cm) ein Unicum dieser Art in Franken und deshalb kunstgeschichtlich besonders bemerkenswert. Jedenfalls steht fest, dass dieses Portal, besonders im Gegensatz zum Tympanon kaum ottonisch sein kann, auch wenn die Form lange sehr beliebt war. Nochmals möchte ich betonen – wenn auch über die Form der frühen Saalkirche erst eine Grabung Aufschluss geben kann – einige Parallelen zur frühen Würzburger St. Martinskapelle scheinen gegeben -, so erscheint die Sagenhaftigkeit der Gründung eines frühen Klosters gerade auf Schönrain nicht mehr so unwahrscheinlich wie es noch Weigand (Das Hirsauer Priorat Schönrain a. Main S. 35) vermutet. Fraglich ist nur, ob nicht St. Lioba mit der Fränkischen St. Gertrud gleichgesetzt wird, wenn man die Nähe Neustadts und seine karolingischen Beziehungen in Betracht zieht.


Aus den Schriften des Geschichtsvereins Lohr a. Main –
“DIE KLOSTERRUINE SCHÖNRAIN”,
Kunsthistorische Analyse und Würdigung der Baureste von Dr. Rudolf Kuhn im Dez. 1974.