Rubrik: Text und Schriftensammlung

die hirsauer Säule

Dateigröße Audiofile: 1,16 Mb
Vorlesedauer: 3,5 Minuten

Die hirsauer Säulen auf Schönrain – Das Tragwerk der alten Klosterkirche:
Diese hier im Eingangsbereich in den 1960er Jahren platzierten Fragmente bestehen aus der Basis mit etwa 103 cm Breite, einer Säule mit etwa 76 cm Schaftdurchmesser und einem Würfelkapitell.
Der Schachbrettfries fehlt, das zugehörige Exemplar kann ein paar Meter daneben entdeckt werden, in der Umfassungsmauer zusammen mit weiteren behauenen Steinen aus der klösterlichen Vergangenheit eingemauert. Weitere Säulen finden sich aufgespalten im hinteren Bereich des Gewölbekellers. Hier wurden augenscheinlich ebenfalls in den 60er Jahren baulich zweifelhafte Maßnahmen vorgenommen und eine Art Empore/ ein einfaches Podest ähnlich einer Bühne errichtet, für Feiern und Feste.  


Auch im Rittersaal des Lohrer Schlosses stehen drei romanische Säulen, die mutmaßlich aus der Schönrainer Klosterkirche stammen. Zumindest stimmen Durchmesser und Säulenbasis mit denen von Schönrain fast annähernd überein.

Die Architektur der Romanik im Hirsauer Einflussgebiet

Die Architektur der Romanik (ca. 950–1250 n. Chr.) strebte nach Schlichtheit, Strenge und innerer Sammlung. Ihre Wirkung beruhte weniger auf Farbe oder ornamentaler Ausschmückung, sondern auf der monumentalen Kraft der Bauformen selbst. Besonders charakteristisch waren klare geometrische Gliederungen, kräftige Wände, Rundbögen und eine statisch ausgewogene Raumordnung.
Ein zentrales architektonisches Element dieser Zeit war die Säule mit Würfelkapitell – eine Form, die vor allem durch die Hirsauer Bauschule verbreitet wurde. Typisch war die Kombination einer attischen Basis, eines massiven oder elegant profilierten Schafts und eines kubisch geformten Kapitells, das durch die Verschmelzung von Kugel- und Würfelformen eine ausgewogene Harmonie erzielte. Der Übergang zur Deckplatte wurde häufig durch die sogenannte „Hirsauer Nase“ – ein kleines blattförmiges Dreieck – akzentuiert. Diese Formensprache wurde im 11. und frühen 12. Jahrhundert in Süddeutschland weit verbreitet und blieb über ein Jahrhundert prägend.

Eine der schönsten erhaltenen Ausprägungen dieser Säulenform findet sich in Schönrain (Kloster Schönrain bei Gemünden am Main, gegründet um 1110).
Eng verwandt sind die Formen in Aura an der Saale (Kloster St. Laurentius, gegründet 1109, geweiht 1113), in Neustadt am Main (Adalger-Münster, um 1100) sowie in St. Jakob in Bamberg (Gründung 1109). Diese stilistischen Parallelen deuten auf eine gemeinsame Bauhütte hin, die in mehreren Orten des mainfränkischen Raumes tätig war. Der Einfluss der Hirsauer Reformarchitektur – ausgehend vom Kloster Hirsau (geweiht 1091) – ist dabei unverkennbar.
Typisch sind hier der Schachbrettfries, Rundbogenfriese und das klare Säulensystem mit kubischen Kapitellen.

Mögliche Wirkungsorte derselben Bauhütte oder verwandter Werkstätten waren:

  • Neustadt am Main (Adalger-Münster, um 1100)
  • Aura an der Saale (1109–1113)
  • Bamberg St. Jakob (1109)
  • St. Michael in Bamberg (1121–1131)
  • Amorbach (Türme: frühes 12. Jh.) und
  • Thulba (um 1120)

Diese Bauwerke zeigen in der Detailgestaltung deutliche Übereinstimmungen, besonders in der Form der Kapitelle und der Ornamentik.
Obwohl der Stil der Hirsauer Reform bereits im späten 11. Jahrhundert in Süddeutschland verbreitet war, zeigen manche Bauten, wie das Heilsbronner Münster (Weihe 1132) oder St. Jakobus auf der Kleinkomburg bei Schwäbisch Hall (gegründet 1109), dass sich die hirsauische Strenge auch noch in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts fortsetzte. Gerade Kleinkomburg weist enge Parallelen zu Schönrain auf, etwa in der gedrungenen Form der Säulen und der zurückhaltenden Ornamentik, während dort allerdings der Schachbrettfries, ein typisches Hirsauer Merkmal, fehlt.
Im Gegensatz zu den mainfränkischen Klöstern finden sich in Würzburg selbst kaum reine Beispiele hirsauischer Kapitellformen. Die Krypta des Doms aus der Zeit Brunos von Würzburg († 1045) ist noch präromanisch. Die Querschiffe Adalberos († 1090) und die Arbeiten des Bischofs Enzelin (Langhaus, 1133) zeigen andere Einflüsse. Auch St. Jakob und St. Burkard weisen zwar romanische, aber nicht eindeutig hirsauische Züge auf. Alt-Stift Haug und Oberzell (Beginn des Neubaus 1128) zeigen abweichende Stilrichtungen, sodass der hirsauische Stil offenbar eher im ländlichen Umfeld Würzburgs Fuß fasste.
Historisch belegte Ergänzungen: – Klosterreform von Hirsau: Die „Hirsauer Reform“ ging vom Benediktinerkloster Hirsau im Schwarzwald aus, besonders unter Abt Wilhelm von Hirsau († 1091). Sie beeinflusste zahlreiche Klöster in Süddeutschland, sowohl liturgisch als auch architektonisch (vgl. Norbert Nussbaum: Deutsche Romanik, 1991).

Datierung:
Die beschriebenen Bauformen datieren in die Zeit von etwa 1050 bis 1150.

Typische Merkmale der Hirsauer Architektur:
kubische Kapitelle, Schachbrettfriese, Rundbogenarkaden, additive Gliederung der Wandflächen, Verwendung von Naturstein, häufig heller Sandstein.

Historische Belege:

  • Kloster Hirsau, St. Peter und Paul: geweiht 1091
  • Adalger-Münster Neustadt a. Main: um 1100
  • Aura a. d. Saale: Gründung 1109 durch Bischof Otto von Bamberg, Weihe 1113
  • St. Michael, Bamberg: Neubau ab 1121 unter Abt Otto
  • Heilsbronn: Klostergründung 1132 unter Bischof Otto von Bamberg