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Gräfin Margareta v. Rieneck

 
von Pfarrer Josef Schott, Habichtstal  
 
Der Ehevertrag zwischen Philipp und Margareta
 
In Nummer 32 der „Lohrer Zeitung” vom 8. Februar 1953 sagt Otto Schecher in seiner Abhandlung „Die Grabplatte der letzten Gräfin von Rieneck”, über der letzten Rieneckerin liege seit dem Ableben ihres Mannes das Schweigen. Tatsächlich wird sie nach dem 3. September 1559 kaum noch, einmal genannt. Es ist ohnehin nicht sehr viel, was wir aus ihrem Leben wissen. Nach ‘Simon wurde sie am 15. Oktober 1508 als drittes von sechzehn Kindern des Grafen Eberhard I von Erbach und seiner Gemahlin Maria von Wertheim goboren. Nach den Angaben auf der Grabplatte wurde sie 65 Jahre, neun Monate und zwei Tage alt, müsste also am 6. November 1508 geboren sein. Simon dürfte sich irren – Als Todesjahr gibt er auch 1579 statt 1574 an. Am 18. August 1522 wurde der Ehevertrag zwischen Graf Philipp von Rieneck und Eberhard Schenk (Graf wurde er erst 1532) von Erbach durch Vermittlung des Grafen Wolfgang von Castell geschlossen. Schenk Eberhard gibt seiner Tochter Margareta 2 500 fl. rh. als Heiratsgut, zahlbar in drei Jahren. Graf Philipp verschreibt seiner Braut 2500 fl. als Widerlage (Gegengeld des Mannes als Ausgleich des von der Frau eingebrachten Gutes) und 1000 fl. Morgengabe. Nach seinem Tode soll die Witwe ihren Sitz in der alten Burg zu Lohr neben der Pfarrkirche haben (heute Kapuzinerkloster) und die Brüelwiesen vor dem Lohrtor, den Kirschgarten und den Sommergarten vor dem Oberen Tor, einige Gefälle zu Langenprozelten, vom Wöhrd im Main (Insel zwischen Langenprozelten und Hofstetten), von der Mühle am Sindersbach sowie die Weiher und den Wald in Langenprozelten, den Hof Buch mit Aeckern und Schäferei und vier Fuder Wein und 30 Malter Hafer erhalten. Am 20. September 1526 bestätigt Graf Philipp den Empfang von 500 fl. rh. als Abschlagszahlung auf die 2 500 fl. Heiratsgut, die Schenk Eberhard von Erbach seiner Tochter geben wollte. Am 17. Februar 1541 machte Graf Philipp vor dem kaiserlichen Notar Jo­hannes Fabri genannt Wineck sein Testament. Erbe soll Graf Anton von Ysenburg zu Büdingen werden. Anton von Ysenburg muss Gräfin Margareta jährlich 200 fl. Frankfurter Wäh­rung, zehn Fuder Wein und fünfzig Malter Korn geben. Bleibt Margareta im Witwenstand, dann erhält sie den Schönrain sowie die Dörfer Massenbuch und Halsbach mit allem, was dazu gehört. Schon am 29. Dezember 1538 hatte Graf Philipp seiner Gemahlin Margareta mit Einwilligung des Erzbischofs Albrecht von Mainz ein Widdum (Gut, das auf Lebenszeit bleibt, auch im Witwenstand) von 6 000 fl. auf das Dorf Langenprozelten und die Kellerei zu Lohr sowie das Wohnrecht in der alten Burg zu Lohr verschrieben.
 
 
Die Rienecker Grafschaft
 
Sieht man die von Wieland veröffentlichten Regesten zur Geschichte der Grafen von Rieneck durch, denen die obigen Angaben entnommen sind, dann stößt man vom Jahre 1530 ab immer wieder auf Verkäufe, zu denen sich Graf Philipp gezwungen sah, und liest ständig von hohen Beträgen, die er aufnehmen musste. Es ist wohl nicht übertrieben, wenn Graf Philipp in einem Schreiben an den Würzburger Fürstbischof
Melchior Zobel von Giebelstadt vom 25. März 1554 (es handelt sich um das Geleit auf dem Main innerhalb der Grafschaft) von seiner „geringen Herrschaft” spricht. Als die Grafschaft Rieneck für die Teilnahme des Grafen am Schmalkaldischen Krieg 10 000 fl. an den Kaiser zahlen soll, sagt der rieneckische Sekretär vor dem Mainzer Domkapitel, der Graf habe kein sonderliches Einkommen, zumal aus den pfalzgräflichen würzburgischen und fuldischen Lehen nichts oder nur wenig zu holen sei. Es mag sein, dass der Sekretär des evangelischen Grafen Philipp die wirtschaftlichen Verhältnisse der Grafschaft etwas ungünstig geschildert hat, um dem katholischen Kaiser keine 10 000 fl. geben zu müssen. Doch muss auch das Domkapitel Mainz am 2. Februar 1549 zugeben, dass der Graf sich in Schwierigkeiten befindet und genehmigt ciarum die Belastung der mainzischen Lehen des Grafen mit 4 000 fl. Freilich wird dem Sekretär gesagt, der Graf möge das Entgegenkommen des Kurfürsten anerkennen, indem er die Wälder schone. Wir dürfen wohl annehmen, dass Graf Philipp in seiner bedrängten Lage nicht nur Güter (1550 z. B Wolfsmünster an Philipp von Thüngen zum Sodenberg) und Fechte verkaufte sowie größere Beträge aufnahm, sonder auch aus dem Wald herausholte, was nur herauszuholen war Am 1. Juli 1556 hören wir von dem Verkauf von 2 000 Eichenstämmen an die Stadt Frankfurt, das Stück zu 3 fl.a)
Sicher war Graf Philipp von Rieneck kein armer Mann. Er war aber auch nicht das, was man sich unter einem Landesherrn gemeinhin vorstellt. Sehr glänzende Verhältnisse waren es also nicht, in die Margareta von Erbach durch ihr Heirat mit dem letzten Grafen von Rieneck kam. Die politische Rolle der Rienecker war längst ausgespielt, sie hattet die Auseinandersetzung mit den Erzbischöfen von Main nicht zu ihren Gunsten entscheiden können. Seit dem Ende des 13. Jahrhunderts ist die Macht der Rienecker gebrochen. Daraus erklären sich die ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse der Grafen in der folgenden Zeit Es ist nicht so, als ob unter Philipp III. die Grafschaft einfach ausverkauft worden wäre. Er kann auch Erwerbungen machen. Im Jahre 1526 kaufte er zu Beispiel von der Abtei Hirsau das im Bauernkrieg ausgeplünderte und zerstörte Kloser Schönrain um 3100 fl. Und lässt es wieder wohnlich aufbauen. Am 10 November 1553 konnte er von Bischof Melchior Zobel Einkünfte zu Wiesentfeld, Sendelbach, Pflochsbach und Rettersbach sowie zwei Mühlen bei Hausen um 6420 fl. Kaufen. Im großen und ganzen aber geht es auch unter dem letzten Grafen von Rieneck weiter abwärts.
 
 
Die Mainzer Herrschaft Rieneck
 
Wir verstehen nun, warum wir nach dem Tode des Grafen Philipp III. von Rieneck am 3. Sept. 1559 kaum noch einmal von seiner Witwe Margareta hören. Die Mainzer Herrschaft Rieneck, wie die ehemalige Grafschaft nun heißt, gehörte jetzt einem größeren Herrn, dem Kurfürsten von Mainz, der sie bei ihrem Herkommen und ihren Rechten beließ.
Ohne Zweifel haben die Lohrer die Vorteile erkannt, die sich aus der Zugehörigkeit zu einem größeren Staatswesen ergaben. So zeigten sich keinerlei Schwierigkeiten beim Übergang an den neuen Landesherrn. Wäre das der Fall gewesen, hätten die Lohrer wahrscheinlich der bisherigen Herrschaft nachgetrauert. Freilich wohnte die Gräfin nicht innerhalb der Herrschaft Rieneck, sondern auf dem Schönrain, der mit den ihr überlassenen Dörfern Halsbach, Hofstetten und Massenbuch würzburgisch war. Ob sie öfter und für längere Zeit von ihrem Wohnrecht in der alten Burg in Lohr Gebrauch machte, wissen wir nicht. Jedenfalls blieben die Beziehungen zu Lohr stets rege und vor allem überaus freundschaftlich. Mit dem Mainzer Oberamtmann hatte sie nichts zu tun, sie saß in ihrem eigenen „Herrschaftsgebiet” (den genannten Dörfern), wo sie selbständig schalten und walten konnte. Sogar den für ihre Dörfer zuständigen Pfarrer von Langenprozelten konnte sie ernennen. Das sich hier keine Schwierigkeiten zeigten, dürfen wir als Beweis für das gute Verhältnis der Gräfin zu Mainz werten. Gleichzeitig können wir darin einen Beweis dafür sehen, dass die Lohrer mit der neuen Herrschaft zufrieden waren. Jede Unzufriedenheit der Lohrer mit den neuen Verhältnissen hätte die Lage der Gräfin ungünstig beeinflusst. Davon erfahren wir aber nichts. Für ihr Auskommen hatte Graf Philipp zu Lebzeiten ausreichend gesorgt.
 
 
Die letzten Jahre einer Gräfin
 
Mehr wussten wir bisher über die letzte Rieneckerin nicht. Nun hat sich für die Zeit von 1566-1574 eine Quelle aufgetan, die recht ergiebig ist und viele Nachrichten über das Leben der Gräfin Margareta auf dem Schönrain bringt. Es sind die an Johann Konrad Ulmer, den ersten evangelischen Pfarrer von Lohr, gerichteten Briefe von Geistlichen und Bürgern aus Lohr und Umgebung. Sie liegen heute in der Stadtbibliothek Schaffhausen, wo Ulmer, ein gebürtiger Schaffhauser, seit 1566 Pfarrer war. Vor allem sind es die Briefe des Lohrer Schulmeisters und späteren Langenprozeltener Pfarrers Daniel Wirth und die Briefe des gräflichen Kammerherrn Matthias Kreydt, der nach dem Tode der Gräfin in die Dienste des Erzbischofs von Mainz trat, die zahlreiche Nachrichten über die letzten Jahre der Gräfin enthalten. Manches, was für uns vor allem interessant wäre, erfahren wir allerdings nicht. Die Gräfin wohnte, als Ulmer von Lohr nach Schaffhausen ging, schon fast sieben Jahre auf dem Schönrain. Ulmer hatte sie dort oft besucht und kannte darum die örtlichen Verhältnisse gut. Es sind daher nur ge­legentliche Mitteilungen, die sich in den Briefen finden. Nur von Aenderungen gegenüber dem bisherigen Zustand wird berichtet. Was Ulmer aus eigener Anschauung kannte, musste man ihm nicht schreiben.
 
Dass Gräfin Margareta von Rieneck auf dem Schönrain in recht guten Verhältnissen lebte, ersehen wir aus dem Bericht Wirths über das Testament der Gräfin vom 21. März 1575. Kammerdiener der Gräfin war, wie schon gesagt, Matthias Kreydt, der 50 fl. („nicht mehr” sagt Wirth) erbte. Graf G­org von Erbach glaubte, Kreydt werde in seine Dienste gehen, was übrigens jeder angenommen hatte. Er ließ sich aber vom Kurfürsten gewinnen, der ihm eigenhändig geschrieben hatte. Er bezog ohnehin sein Dienstgeld jährlich vom Kurfürsten. Der „gute alte Hartmann Jeger” hat seinen „Klöpper” davon gebracht. Die Gräfin hatte demnach ihrem Jäger sein Dienstpferd vermacht. Jetzt ist der Jäger Hart­mann Förster der Lohrer Bürger und bekommt im Jahr 50 fl. Der Milchmutter im Hofhaus ist die beste Kuh sowie Korn und Wein vermacht worden. Meister Contz, der Beck, hat in Lohr das Bäckerhandwerk angefangen. Er bekam zwei Mal­ter Korn und zwei Eimer Wein. Georg Schwaiger, der „gute alte Amtmann”, ist mitsamt zwei Söhnen am erbachischen Hof zu Fürstenau. Die Mutter des Glöckners Gilgen (Egid) und Ketherlein (Katharina). Bastian Fehlers Wittib, die beiden Köchinnen, sind wieder in Lohr. Jede erbte zwei Malter Korn und einen Eimer Wein. Velten (Valentin) Diemers Tochter, die der Gnädigen Frau gewartet hat, ist wieder bei ihrem Junker. Fräulein Walburg kam zu ihrem Bruder. Ihr hatte die Gräfin 500 fl. und den Kammerwagen vermacht. Aus einem Brief Krevdts vom 10. März 1567 erfahren wir von einer Beschließerin der Gräfin, die an Lichtmeß Johan­nes Schnurr in Lohr geheiratet hat. Wirth spricht in seinem Brief von den Dienern und Dienerinnen (Knechten und Mäg­den) der seligen Gräfin. Es war also eine stattliche Schar von Angestellten und Bediensteten, die auf dem Schönrain beschäftigt waren, ein Hofstaat im Kleinen.
 
Die Gräfin führte auf Schönrain kein einsames Leben, so abseits auch das Schloss liegt. Immer wieder wird von Reisen der Gräfin berichtet. Öfter ist sie in Erbach bei ihren Verwandten. An Pfingsten 1574 schreibt Wirth, Margareta von Rieneck sei am 29. April nach Erbach auf dem Wasser (Main) gefahren. Sie soll ihrem Vetter, dem jungen Grafen, einen Sohn aus der ,Taufe heben. „Gott sei ewig Lob und Dank gesagt, dass er den schier verfallenen erbachischen Stamm wieder ausschlagen und grünen lässt”. Oft ist auch Besuch auf dem Schönrain. Die Adeligen der Umgebung, zum Beispiel die Diemar in Wiesenfeld. halten gute Nach­barschaft mit der Gräfin, die ihrerseits bei ihnen Besuche macht und es auch nicht unter ihrer Würde hält, bei einer Reise auf dem Main in Marktheidenfeld anzuhalten, um ih­ren ehemaligen Seelsorger Pfarrer Lorenz Wildner wieder zu sehen, der einst von Wiesenfeld aus ihre Dörfer Halsbach und Massenbuch betreut hat. Wir können hier gar nicht die vielen Nachrichten über Familienereignisse im Hause Erbach und bei den Adeligen der Umgebung aufzählen. Das soll bei anderer Gelegenheit einmal geschehen. Wirth schreibt an Pfingsten 1574, die Gnädige Frau auf dem Schönrain habe einen großen Überlauf von Bekannten und Unbekannten, lasse aber niemand leer weggehen. Kein Wunder, dass der Tod der Gräfin dem ganzen Land zu Herzen ging, wie Wirth sagt. Die Kinder und Bettler. die diese Jahre her in der langen Teuerung täglich und reichlich gespeist wurden, beweinen die „viduam Sareptanam” (Witwe von Sarepta) und „Sunamitin” (Wohltäterin des Propheten Elisäus) sehr bitterlich. Immer wieder weist Wirth auf die große Wohltätigkeit der Gräfin hin. Noch nach ihrem Tod ließ sie viel Korn und Brot armen Leuten in Lohr, Halsbach, Hofstetten und Massenbuch geben. Graf Georg hat das Vermächtnis genau vollzogen.
 
Wirth kam jede Woche mehrmals auf den Schönrain. Wenn er auf den Dörfern Katechismus gehalten hatte, machte er auf ausdrücklichen Wunsch der Gräfin einen Besuch bei ihr. Wir dürfen annehmen, dass er ihr Seelsorger war. Wirth hat ihr auch am 15. Juni 1574 coenam Domini sacram (das heilige Abendmahl) gereicht. Am 21. Februar war die Gräfin auf der Leiche (Beerdigung) der Enheimerin (von Enheim) gewesen. Bei ihrer Rückkehr klagte sie an allen Gliedern, sie hatte das Reißen. Trotzdem gebrauchte sie nichts, aß und trank auch nicht wie sonst. So wurde sie immer schwächer und musste am 15. Juni versehen werden. Dass sie dann so rasch sterben werde, ahnte niemand, sie selbst dachte nicht daran. Die Gräfin saß auf einem Stuhl und schrieb. Als ihr unwohl wurde, rief sie. Man brachte sie rasch zu Bett. wobei sie rief: „Ich muss die Arbeit tun, ach dass sie schon getan wäre.” Das „liebe Kocherlein” rief ihr noch zu, sie solle an ihren Erlöser Jesus Christus denken. Sie solle ein Zeichen geben, ob sie das auch tue. Darauf hob sie die Hände und das Haupt, schloss die Augen und war verschie­den. Am 10. August, zwei Tage nach dem Tode. legte Wirth die Tote in den Sarg. Am 12. August wurde sie in der Stadtpfarrkirche zu Lohr neben Graf Philipp begraben. Beim Be­gräbnis waren die Gesandten der Herren von Erbach und Eisenberg (Ysenburg), viele Adelige, die in der Nähe des Schönrains saßen, und überaus viele Leute anwesend, denn ,.dem landt zu Francken eine rechte Mutter abgestorben ist”. Pfarrer M. Johannes Strauch hielt die Leichenpredigt, Alles, auch das Geringste. hatte die Gräfin schriftlich festgelegt, sogar die Lohrer Bürger, die sie vom Wagen heben und zum Grabe tragen sollten, waren von ihr bestimmt worden. Überdies wurde noch Korn und Träger waren ,Hans Merklein, Leonhard Hopf, Georg Ruppel. Jobst Weidenweber, Barthel Appel und Hans Ohnmuth.
 
 
Margaretas Hinterlassenschaft
 
Die Hinterlassenschaft der Gräfin Margareta war recht ansehnlich. Das haben wir oben schon gesehen, wo von den Legaten an die Dienerschaft die Rede war. Dazu kamen noch 100 fl., die die Gräfin den Kirchen zu Hofstetten und Langen Brot an arme Leute gegeben. Trotzdem blieb den Erben noch sehr viel. Es waren immerhin drei Dörfer, deren Einkünfte der Gräfin gehört hatten. Wenn auch der große Haushalt teuer gekommen sein mag, es waren gleichwohl noch be­trächtliche Werte da. Und das, obwohl Margareta ein gastfreies Haus führte und den Armen ständig große Almosen gab. Um diese Hinterlassenschaft stritten nun die Erben, nämlich die Erbacher und die Ysenburger, in einer recht unschönen Weise. Diese Auseinandersetzungen können hier nur nach dem Bericht des Pfarrers Daniel Wirth von Langenpro­zelten geschildert werden. Wirth ist parteiisch, er steht eindeutig auf Seite der Erbacher. Die Gräfin war stets seine Wohltäterin gewesen, sie hatte ihm mit Langenprozelten die so sehnlich erwartete Pfarrei gegeben, sie hatte ihn ständig gefördert. Es ist ganz natürlich, wenn Wirth nun zu den nächsten Angehörigen seiner Wohltäterin hält. Zudem haben sich ja auch die Erbacher immer hilfsbereit gegen Wirth erzeigt. Sie sind es, die ihm ein Jahr später die Pfarrei Klein­heubach geben, als seine Lage in Langenprozelten nach der Lostrennung der linksmainischen Orte Halsbach, Hofstetten und Massenbuch schwierig geworden war. Vielleicht findet sich aber einmal in den Ysenburgischen Archiven ein Bericht über die Vorgänge bei der Teilung auf Schönrain. Dann könnte man auch die Gegenseite hören.
 
 
Der Erbstreit
 
In dem schon erwähnten Testament des Grafen Philipp vom 17. Februar 1541 war festgelegt worden, dass Graf Anton von Ysenburg zu Büdingen Erbe des Amtes Schönrain werden sollte. Ihm sollten also Hofstetten mit Zoll und Zehnt, Halsbach und Massenbuch gehören.
Schon am 7. Septem­ber 1559, also nur vier Tage nach dem Tode des letzten Rieneckers, hatte Graf Anton von Ysenburg zu Büdingen seinen Sohn Georg bevollmächtigt, die Würzburger Lehen im Besitz der Rienecker, nämlich das Amt Schönrain, von Bischof Friedrich von Wirsberg, Fürstbischof zu Würzburg, in Empfang zu nehmen. Am 3. Oktober 1559 verlieh der Fürstbischof Graf Anton das Erbtruchsessenamt, das bisher Graf Philipp von Rieneck innegehabt hatte.’) Auch mit Mainz konnte sich Ysenburg einigen. Eine Reihe von Gütern. die Graf Philipp von Rieneck als persönliches Eigentum gehört hatten, gingen an Mainz über. Dafür übernahm Mainz 1900 fl. Schulden, die auf der Erbschaft ruhten, und überließ Ysenburg den Hof zu Nantenbach als Eigentum’) Anders war es nach dem Tode der letzten Rieneckerin. Hier handelte es sich um das per­sönliche Eigentum der Gräfin. Dass dieses nicht den Verwandten ihres verstorbenen Mannes, also den Ysenburgern zufiel, sondern an ihre eigene Familie, d. h. an die Erbacher, kam, ist selbstverständlich. Nicht ganz klar war vielleicht, was privates Eigentum der Gräfin war, und was zum ständigen Inventar des Schlosses gehörte. Sicher konnte Margareta nur über ihren eigenen Besitz verfügen. So müssen wir uns wohl die ‘Schwierigkeiten erklären, die bei der Teilung entstanden. Ganz klar wird der Streit trotzdem nicht. Wirth sagt nämlich, die Gnädige Frau habe alles genauestens schriftlich festgelegt. Wir haben oben .gesehen, dass sie sogar die Träger für den Sarg bestimmt hatte. Es könnte natürlich auch sein. dass die Gräfin selber nicht in jedem Falle wusste. was nun ihr Eigentum war, und was zur Einrichtung des Hauses gehörte.
Wirth weiß ziemlich gut Bescheid ‘über die Vorgänge. Der Schönrain liegt nahe bei Langenprozelten und gehörte über­dies zu seiner Pfarrei. Zudem war Wirth wegen seiner Ver­ehrung für die Gräfin und wegen seiner Freundschaft zu den Erbachern persönlich an den Auseinandersetzungen in­teressiert. Er weiß zu berichten. dass die Ysenburger (er spricht immer nur von den Eisenbergern) Graf Georg von Erbach wohl zum dritten Mal die Erbschaft ..verkümmert” haben. Es ist nicht davon zu schreiben, was für ein Handel auf dem Schönrain gewesen ist. Keiner war des anderen Freund. Jeder sah, dass er möglichst viel davonbringen und verstecken konnte. Ging er dann weiter und wollte mehr „garten” (stehlen), kam ein anderer und raubte das Ver­steckte. Keiner durfte dem anderen etwas vorwerfen. Er hätte es auch nicht gekonnt. Was die Gräfin an Bargeld hinterlassen hat. weiß Wirth nicht. Doch hörte er von einer großen Barschaft erzählen. Graf Georg von Erbach ließ dar Geld mit drei starken Warenpferden nach Lohr schaffen und von da auf dem Wasser (Main) nach Wörth fahren ( von wo aus wieder Pferde zum Transport. nach Erbach genommen wurden). Graf Georg von Erbach räumte den Schönrain (wohl früher als beabsichtigt) wegen der ständigen und viel­fältigen Streitereien zwischen den Dienern Ihrer Gnaden und den Eisenbergischen. Noch heim Abzug nahmen die Erbach-­sehen den Eisenbergischen eine Maßkanne vom Tisch. so dass diese ihren Wein aus einem Hafen trinken mussten. Nur ei­nige Bettladen und Tische blieben auf dem Schönrain. Die hatte Erbach den Ysenburgern zugesagt.
 
Der erbachische Seeretarius M. Paulus Betzoldus sagte, es wäre für die Eisenbergischen ein ‘Gewinn von 1000 fl, gewesen, wenn sie gegen die Erbachischen sich freundlicher erzeigt hätten. Graf Georg von Erbach wollte allen Hausrat, die Fässer im Keller, etlichen Wein, Korn, Hafer, alles Heu und Stroh auf dem Schönrain lassen. Er hätte das getan, weil Graf Philipp (von Rieneck) und Graf Anton (von Ysenburg) seliger Gedächtnis so gute Vettern waren, die sich Brü­der nannten. Aber da ist kein Fass und kein Tropfen Wein. ja kein Körnlein Korn noch Hafer, noch weniger Heu, Stroh oder Mist auf dem Schloß geblieben. An die 40 Kühe wurden Graf Georg von Ysenburg ums halbe Geld angeboten. Er wollte aber nichts, was Erbach geerbt hatte. Hans Ohnmuth und Contz, ein Metzler in Lohr, haben alles ums halbe Geld erhandelt. Kein Hühnlein und kein Täublein ist geblieben. Was man nicht fangen konnte, wurde erschossen oder erschlagen.
 
Wie schwierig die Verhandlungen über die Erbschaft wa­ren, ersehen wir daraus, dass Erbach und Ysenburg nach dem Begräbnis der Gräfin ihre Räte und Diener an die acht Wochen auf dem Schönrain hatten. Erschwert wurden die Verhandlungen, weil die drei Ysenburger, die Söhne des Grafen Anton, unter sich uneins waren. Graf Wolf war in Kriegs­diensten auswärts, Graf Georg wollte alles für sich allein noch nicht gelobt und geschworen, weil eben die drei Grafen von Ysenburg nicht einig waren.
 
Noch an Pfingsten 1574 hatte Wirth an Ulmer geschrieben, beim Leben seiner Gnädigen Frau wolle er in Langenprozeten aushalten. Nun musste er sehen, wie die Diener und Dienerinnen der verstorbenen Gräfin den Schönrain verlassen mußten. „Nachdem nun das Schloß gereumbt und alles vom Berg herab in die Erpachische Schiff geladen, sindt die Er­pachischen gewichen und ihnen der Grefin selig Diener und Dienerin(nen) bis fürs Schloss heraus nachgezogen und hatt sich ein jeglich nach einem Herrn umbgesehen”. Wirth musste sich sagen, dass man auch ihm kündigen werde. -Bei anderer Gelegenheit haben wir schon erfahren, dass Wirth zum 22. 2. (Cathedra Petri) 1575 gekündigt wurde.’) Ysenburg begründete die Kündigung damit, dass der Schönrain mitsamt dem Amt ohne alle Mittel angefallen sei. Der neue Amtmann, der kürzlich in Wächtersbach war, kündigte an Laetare 1575 Wirth die Dörfer Halsbach, Hofstetten und Massenbuch. Wie Wirth hörte, wollen die Ysenburger auf dem Schönrain ein .lediges Eselein” in Kost halten, dem sie eine vereinbarte Summe geben, während sie die Gefälle selbst einziehen. In wenigen Tagen soll der neue Pfarrer schon kommen.
Am 5. September 1574 schrieb Wirth an Ulmer – ‘Heut Dato dis Briefs wurdt alles offenbar werden, was 1. G. befohlen und verordnet hat, auch wie es hinfüro mit uns und Schonrain gehalten werden soll, und was sonsten sich zutregt, solches alles will ich euch weittleufftig schreiben, Deo volente (wenn Gott will). Ach hertzlicher Herr Vatter, es,ist mir und meinen Kindlein sehr und gar ubell geschehen, wollen wir dem Willen Gottes nicht widerstreben. Bald ists etwan an uns. Ach das wir uns nur auch so bedechtlichen darzu schikken, so wurden wir, wie David sagt, gar weis, gelert und klug werden”.
 
 
Wo bisher eine „rechte Mutter” Wohltaten spendete, waltet nun ein „reißiger Knecht” der Ysenburger. Nicht nur Wirth und seinen Kindern, nein der gesamten Umgebung des Schönrains war mit dem Tod der letzten Rieneckerin „gar übel geschehen”. Nichts erinnert heute mehr in Lohr an Gräfin Margareta von Rieneck. Die Erben ließen ihr nicht einmal ein Grabmal setzen. Nur eine einfache Schieferplatte erinnerte bis 1930 an sie. Seitdem liegt die Grabplatte auf dem Dachboden der Stadtpfarrkirche.
 
Die Inschrift lautet:
„Die wohlgeborene Fraw Margareth Grevin zu Rieneck geborne Grevin zu Erpach hat nach Absterben des wohlgebo­renen Hern Philipp; Graven zu Rieneck im Widwestandt gelebt 14 Jahr eilf Monat funf Tag starb im Jahr 1574 den B. Tag des Monats Augusti ihres Aldters 65 Jahr 9 Monat und zwen Tag”.