Die Säkularisation
Im Jahr 2003 jährt sich zum 200sten Male die Säkularisation. Darunter versteht man die Aufhebung der Klöster und die Einziehung des kirchlichen Besitzes zugunsten des Staates. Ohne die Säkularisation wäre das moderne Bayern in seiner Flächenausdehnung nicht denkbar. Aber auch der staatliche Waldbesitz Bayerns hätte nicht die Größe, die er hat. Im Jahre 1803 wurden nicht nur die meisten Klöster aufgehoben, auch zahlreiche kirchliche Staaten, die sogenannten Fürstbistümer wurden dem neuen Staatsgebilde einverleibt. Sie brachten (steuerzahlende) Untertanen und vermehrten die Staatsfläche. Von Regensburg bis Würzburg, von Augsburg bis Bamberg reichte die Erweiterung der bayerischen Kernlande. Auch angrenzende Bistümer gaben Fläche an Bayern ab: der Spessart kam von Mainz, der Chiemgau von Salzburg. Vermutlich etwa die Hälfte des heutigen Staatswaldes geht auf die Säkularisation kirchlichen Waldbesitzes zurück. Dies soll Anlass sein, einen Blick auf Entstehung und Aufhebung von Klosterwald zu werfen.
Warum hatten Klöster Wald?
Der Gedanke des gemeinschaftlichen religiösen Lebens in Abgeschiedenheit kam im Abendland mit Benedikt von Nursia auf (530 n. Chr.). “Bete und Arbeite” war das Motto der Gemeinschaften, die folglich ihre Gebäude selbst errichteten und sich aus der selbst betriebenen Landwirtschaft ernährten. Dazu mussten die Klosterneugründungen mit Ressourcen ausgestattet werden. Diese Ressourcen erhielten sie in Form von Landbesitz und Rechten (z.B. Fischfang). Die Herrschenden siedelten gerne Klöster an, weil sie schnell erkannten, dass diese Gebilde ein ideales Instrumentarium für den Landausbau waren, denn Klöster waren auch immer Kristallisationspunkt bäuerlicher Siedlungen. Nicht unterschätzt werden darf die Motivation der Stifter mit einer Klostergründung ihr persönliches Seelenheil zu fördern bzw. eine Versorgungsstätte für die nachgeborenen Kinder des Adels zu schaffen. Auch deshalb wurden viele Klöster reich mit Gütern ausgestattet. Wald war notwendig um die Bau- und die Brennholzversorgung der Gemeinschaft sicherzustellen.
Unterschiedliche Typen von Klöstern
Manche Klöster waren mit viel Land ausgestattet, andere hatten und wollten gar kein Land. Zu den “landwirksamen Klöstern” zählen die Benediktiner, die Zisterzienser, die Prämonstratenser, die Augustiner Chorherren und die Kollegiatstifte. Die ersten Gründungen waren benediktinische Klöster, die lange vor dem Jahr 1000 entstanden (z.B. Amorbach, Weltenburg, Tegernsee). Die meisten bayerischen Klöster wurden beim großen Bevölkerungsanstieg im hohen Mittelalter zwischen 1100 und 1300 gegründet (172 Klöster). Geistesgeschichtlich fallen diese Gründungen in die Zeit der Kreuzzüge. Da die landwirtschaftlich besten Böden schon vergeben waren, wurde auf schwierigeren Standorten gesiedelt (v. a. Zisterzienser, Prämonstratenser). Die Fürsten, die sie ins Land holten, wiesen ihnen waldreiche, abgelegene Mittelgebirge (z. B. Waldsassen) oder versumpftes Gelände (z. B. Ebrach) zu. Dieses musste erst gerodet, entwässert und urbar gemacht werden. Deshalb gelten die Zisterzienser unter den Ordensleuten auch als die Wasserbauer und “Ingenieure”. Die Bettelorden, wie zum Beispiel die Franziskaner oder die Dominikaner, hatten eine andere Lebensform und brauchten und wollten deshalb auch kein Land. Sie gingen in die Städte um sich um die soziale Not zu kümmern. In der Gegenreformation wurden sie aus politischen Gründen stark gefördert. Aus forstlicher Sicht sind deshalb vor allem die landwirksamen Klöster interessant. Neben den Klöstern besaßen auch die Hochstifte umfangreichen Waldbesitz. Das waren geistliche Staaten, die von einem Bischof geleitet wurden. Auch sie wurden 1803 aufgelöst und kamen zum Teil gleich zu Bayern (z. B. Freising) oder erst nach dem Wiener Kongress 1815 (z. B. Würzburg).
Reichsdeputationshauptschluss
Der formelle Akt in dem die Aufhebung der kirchlichen Staaten und Klöster stattfand wird als Reichsdeputationshauptschluss bezeichnet. Es war der Hauptbeschluss der letzten außerordentlichen Reichsdeputation, der unter dem Druck Napoleons am 25.2.1803 zustande kam. Darin wird in 89 Paragraphen die Entschädigung der weltlichen Fürsten geregelt, die ihre Gebiete auf dem linken Rheinufers an Frankreich abtreten mussten. Mit dem R. verschwanden 112 Reichsstände, darunter fast alle geistlichen Fürstentümer (Säkularisation) und freien Reichsstädte (Mediatisierung). Zahlreiche ehemalige Reichsgebiete auf der rechten Seite des Rheines wurden nun zwangsweise der bayerischen Herrschaft unterstellt. Preußen, Bayern, Baden und Württemberg waren die Hauptgewinner und erfuhren starke Gebietsvergrößerungen. Der R. war die Umsetzung der Bedingungen des Friedensvertrages von Lunéville (1801), in dem das Reich alle linksrheinischen Gebiete an Frankreich abtrat. Warum wurde der kirchliche Wald verstaatlicht? Die Übernahme von Eigentum und Grundbesitz der Kirche war für den Staat im Ergebnis eine hervorragende Einnahmequelle, um die maroden Staatsfinanzen zu sanieren. Hatten doch die Kriege mit Frankreich viel Geld gekostet. Außerdem musste Bayern, das ab 1806 Verbündeter Napoleons im Rheinbund war, teure Armeen für die Kriege Frankreichs ausstatten. Für die Säkularisation von Kirchengut gab es aber auch andere Gründe als nur die Verbesserung der Staatsfinanzen. Der wichtigste war, dass mit der Aufklärung im 18. Jahrhundert ein Bewusstsein gewachsen war, das die Trennung von Staat und Kirche verlangte. Die Kirche sollte sich auf religiöse Seelsorge zurückziehen und weltliche Souveränität und Besitz dem Staat überlassen, der sich um das Recht und das materielle Wohl der Bürger zu sorgen hatte. Schon im 18. Jahrhundert gab es Pläne und Versuche einer Säkularisation. Eine konsequente Umsetzung der Enteignung der Kirche fand aber erstmals in der Französischen Revolution statt. Der konkrete Anlass für die Enteignung der Kirche in Deutschland war die Ausweitung des französischen Staates bis zum Rhein, die im Friedensvertrag von Lunéville festgelegt worden war. Von Speyer bis Köln besetzten die Franzosen die Städte. Die Pfalz, der Hunsrück, die Eifel gehörten nun zu Frankreich. Dafür sollten die deutschen Fürsten, denen diese Gebiete gehört hatten, mit rechtsrheinischen Gebieten entschädigt werden. Da rechtsrheinisch aber alles Gebiet schon jahrhundertelang vergeben war, konnte dies nur durch die Auflösung der kirchlichen Staaten und die Enteignung des kirchlichen Besitzes erfolgen.
Purifikation
…ist die Ablösung von Rechten die auf dem säkularisierten Wald der Klöster lasteten. Fast alle Flächen, die Bayern mit der Säkularisation übernahm, waren mit Holzrechten und Weiderechten der örtlichen Bevölkerung belastet. Meist handelte es sich um Gewohnheitsrecht, das schon Jahrhunderte zurückreichte. Um nachhaltige Forstwirtschaft auf den neu erworbenen Flächen betreiben zu können, war es notwendig diese Rechte zu bereinigen (=purifizieren) und abzulösen. Das geschah mit Wald. Für ein Klafter Holzrecht bekam der Rechtler 1 Tagwerk Wald, das entspricht einem Verhältnis von 3,133 m³ zu 0,34073 ha, was von einem Zuwachs von 9,2 m³/ha ausgeht. Das entsprach aber nicht der Produktionskraft der Wälder und wurde den Ansprüchen der Rechtler nicht gerecht. Deshalb wurde ab 1805 für “mittelmäßigen” Wald eine Entschädigung von 1,5 Tagwerk je Klafter Holzrecht und für “schlechten” Wald eine solche von 2 Tagwerk festgelegt.
Dass die Ansprüche der Rechtler und das, was der Wald in Wirklichkeit hergab weit auseinanderging kann man an der Purifikation des Kollegiatstiftes Habach (Landkreis Weilheim) studieren. Das Stift besaß 1180,5 Tagwerk Wald. Zur Abfindung aller Bezugsberechtigten wären aber 1490 Tagwerk notwendig gewesen. Nach Verhandlungen einigte man sich auf einen Kompromiss. Die Rechtler reduzierten ihre Ansprüche. Daraufhin wurden 90 % des Stiftswaldes unter Ihnen verteilt, knapp 10 % ging in Staatsbesitz über.
So gingen im Staatsgebiet des heutigen Bayern zahlreiche kirchliche Territorien auf wie die Hochstifte Würzburg, Bamberg, Eichstätt, Freising, Augsburg und Passau. Auch Klöster wie Waldsassen, Ebrach, Irsee, Roggenburg, Ottobeuren oder Kaisheim wurden mit ihrem ganzen Besitz dem neuen Staatsgebilde einverleibt.
Aber nicht nur die Wittelsbacher erhielten Ersatz für den Verlust der Pfalz, auch die Fürsten von Leiningen wurden entschädigt und übernahmen Gebäude und Ländereien des Klosters Amorbach.
Wie wurde die Säkularisation durchgeführt?
Nachdem die entsprechenden Gesetze zur Aufhebung der geistlichen Staaten und Klöster erlassen waren, bildete sich im Juni 1803 eine Kommission zur Neuorganisation der Klosterwaldungen. Den Vorsitz führte Mathias Schilcher, ein hoher Forstbeamter des Kurfürsten, der sich mit der Einrichtung der Wälder um München einen Namen gemacht hatte. Innerhalb eines Jahres bereiste er sämtliche Klosterwälder in Altbayern, erfasste Flächenausmaß und Holzbestand und schätzte den Ertrag. Nach Abschluss dieser Gigantenarbeit, die ausschließlich zu Pferd und zu Fuß durchgeführt worden war, fertigte Schilcher ein Gutachten mit zahlreichen Tabellen und einer Übersichtskarte über die Lage der Wälder. Viele der neuerworbenen Flächen arrondierten den bisherigen kurfürstlichen Waldbesitz ausgezeichnet. Das Gutachten zeigt aber auch auf, welche Probleme der Neubesitz des Kurfürsten mit sich brachte: Viele der neuerworbenen Flächen lagen als kleine Parzellen weit verstreut; die Belastung fast aller Klosterwälder mit Brennholz-, Bauholz- und Weiderechten war enorm.
Deshalb wurden zunächst kleinere, verstreut liegende Waldparzellen verkauft, deren Erlös die kriegsbedingte staatliche Finanzmisere lindern half. Erst ab 1806 wurden systematisch größere Flächen verkauft. Ferner mussten unbedingt die Rechte abgelöst werden, damit eine nachhaltige, auf hohe Stammholzproduktion ausgerichtete Forstwirtschaft betrieben werden konnte.
Ergebnis und Folgen der Säkularisation
Die Säkularisation brachte dem bayerischen Staat ein immenses Vermögen an Immobilien und Wald. Während die meisten Wiesen, Felder und Gebäude umgehend verkauft wurden, blieb der Wald zum überwiegenden Teil im Staatsbesitz. Wie viel damals säkularisiert wurde und wie viel vom heutigen Staatswald auf kirchlichen Waldbesitz zurückgeht, ist kaum zu sagen. Denn zum einen waren die Wälder vor 200 Jahren noch nicht vermessen, so dass nicht klar ist, wie viel Wald die Klöster tatsächlich besaßen. Zum anderen wurden Rechtler mit Klosterwald abgefunden. Ferner gab es zwischen der Übernahme Frankens durch Bayern und der Säkularisation Interimsstaaten (z. B. Großherzogtum Würzburg-Toskana). Der Flächenverlust der fränkischen Klöster ist bis heute noch nicht wissenschaftlich abschließend bearbeitet.
Säkularisation
Unter Säkularisation versteht man die durch Enteignung durchgeführte Umwandlung kirchlichen in weltlichen Besitz. Eine erste größere S. gab es in der Reformationszeit als verschiedene Adelsgeschlechter im 16. Jahrhundert vom Katholizismus zum Protestantismus übertraten und Kirchenbesitz in ihrem Territorium verstaatlichten (z.B. die Klöster Frauenaurach, Heilsbronn).
Im engeren Sinn versteht man unter S. die Aufhebung der geistlichen Hoheits- und Eigentumsrechte durch den Reichsdeputationshauptschluss (1803). Dabei wurden 25 Fürstbistümer und 44 Reichsabteien aufgehoben und enteignet. Säkularisiert wurden neben den reichsunmittelbaren geistlichen Gebieten, aber auch die landsässigen Klöster, die in weltlichen Staaten lagen und die nicht dem Reich unterstanden.
Schon 1802 wurden die Bettelorden aufgelöst, gegen die sich der aufgeklärte Zeitgeist besonders wandte.
Die S. ist Ausgangspunkt für einen völligen Umbau des Staates, für Reformen in der Folgezeit, die das bis dahin bestehende mittelalterliche Feudalsystem ablösten und den modernen Staat schufen.
Mit der Säkularisation entstanden große Waldkomplexe, die von Nutzungsrechten entlastet waren und die der Staat uneingeschränkt und nachhaltig bewirtschaften konnte. Vielfach konnte erst dadurch das Wirtschaftsziel von Brennholz auf Bauholz umgestellt werden. Außerdem mussten die Flächen eingemessen und der Ertrag bestimmt werden; die Forste wurden erstmals eingerichtet (= primitive Operate).
Am Saum der großen Staatswaldflächen finden sich noch heute die kleinen Wald-Parzellen der ehemaligen Rechtler. Der Kleinprivatwald ist im wesentlichen erst mit der Säkularisation und der darauf folgenden Purifikation entstanden. (Durch die Auflösung der Allmende kamen wenig später weitere Kleinprivatwaldflächen hinzu.)
Erst nach dieser Bereinigung von Flächen und Rechten konnte eine neue, effiziente Verwaltungsstruktur der Forstbehörden aufgebaut werden. Dabei wurden die Forstbeamten der Klöster häufig übernommen und auch der Sitz des Forstreviers/ Forstamtes verblieb meist am Ort des ehemaligen Klosters. Einige Forstämter sind heute noch in ehemals klösterlichen Gebäuden (z. B. Ottobeuren).
Wertung
Die Säkularisation ist ein komplexes Geschehen. Viele Prozesse hängen damit zusammen oder wurden von der Säkularisation angestoßen. Auch die Bauernbefreiung oder die Auflösung der Allmende sind ohne den Primärimpuls der Säkularisation nicht denkbar. Zwischen 1802 (Beginn der Säkularisation) und 1815 (Wiener Kongress) wurde Europa und v.a. Deutschland grundlegend verändert und reformiert. Die Säkularisation markiert aus forstlicher Sicht das Ende des Lehensystems und der mittelalterlichen Nutzungsformen im Wald. Sie steht gleichzeitig auch am Beginn der modernen Forstwirtschaft.
Mediatisierung
Mediatisiert wurden Reichsstädte, weltliche Reichsgebiete und Adelsherrschaften.
Die freien Reichsstände (Reichsstädte, Reichsgrafen etc.), die bis dato direkt dem Kaiser unterstanden und Landeshoheit besaßen (immediat waren), wurden nun anderen (mächtigeren) Landesherren unterstellt. Die M. der Reichsstädte ist ähnlich wie die Säkularisation eine Folge des Friedens von Lunèville und im Reichsdeputationshauptschluss festgelegt. Die M. der Reichsritter ist eine Folge der Politik Napoleons, der mit der Gründung des Rheinbundes (1806) diese Staaten “flurbereinigt” hat, um starke Mittelstaaten zwischen Frankreich und Habsburg zu schaffen. Während die Reichsritter für den Verlust ihrer Hoheitsrechte großzügig entschädigt wurden und den bisherigen Staatsbesitz als Privatbesitz behalten durften (auch das, was sie 1803 säkularisiert hatten), wurden die Reichslehen der Städte vom neuen Staat vereinnahmt. Dadurch war die alte Lehensverfassung aufgehoben und die mediatisierten Stände nur noch mittelbar (mediat) an der staatlichen Hoheitsausübung beteiligt. Gerade in Franken und Schwaben gab es sehr viele freie Reichsstädte und Reichsritterschaften, die so im neuen Bayern aufgingen.
Mediatisierung führte also zum einen zur Vermehrung des Staatswaldes zum anderen zur Entstehung von Großprivatwald. Politisch gesehen war sie Voraussetzung für ein einheitliches Territorium mit einheitlichem Recht.
Autor: Joachim Hamberger
Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft