von Vinzenz Stenger.
Lohrer Zeitung vom Samstag, 25.Januar 1975
Zwischen Schönrain und Salzberg mündet der Ziegelbach
in den Main. Er hat seinen Ursprung auf der Fränkischem
Platte, dem ältesten agrarwirtschaftlichen Kulturland in
unserem Siedlungsgebiet in unserer engeren Heimat. An seinem
Laus befanden sich einstmals sechs Mühlen, von denen einige
noch, wenn auch nicht mehr im Betrieb, vorhanden sind. Die fortschreitende
Technik hat ihnen die Daseinsberechtigung genommen. Wie lange
noch, dann wird die Romantik dieses Mühlengrundes völlig
verschwunden sein. Denken wir nur an die Planung der Bundesbahnschnellstrecke,
die dieses Tälchen in Anspruch nehmen will. - Altbürgermeister
Vinzenz Stenger aus Halsbach bringt, nachfolgend die Mühlen
des ZiegelbachtaIes in Erinnerung und zeichnet damit eine über
Jahrhunderte gehende familien- und heimatkundliche Episode auf.
Damit vermag er die Geschichts- und Heimatfreunde anzuregen,
von Wiesenfeld aus bis zur Kreisstraße Steinbach - Hofstetten
das romantische Tälchen, des Ziegelbaches zu durchwandern,
um sich nach alten Kulturstätten umzuschauen.
Als es noch keine Dampfmaschine und Motoren und Elektrizität
gab, versuchte sich der Mensch die Naturkraft nutzbar zu machen.
Im Flachland waren es die Windmühlen, die den Wind in Nutzkraft
umsetzten, in Gebirge und im bergigen Land, wo die Wasserläufe
ein mehr oder weniger starkes Gefälle hatten, waren es
die Wasserräder, die dieses Gewässer in Nutzkraft
umsetzten. Die Räder (Radspeichen) waren aus Holz auf einer
Eisenwelle befestigt. Es gab zwei verschiedene Antriebsarten
für die Wasserräder: Unterschlägige, bei schwachem
Gefälle und starkem. Wasserlauf (Maintal), wo das Wasser-
die Schaufeln von unten füllte und Oberschlägige bei
starkem Gefälle und geringerem Wasserlauf, wo das Wasser
von oben auf die Schaufeln der Wasserräder füllten
Lind in Bewegung setzten.
Mahlvorgang: In der Mühle waren zwei kreisrunde
Mühlsteine aus hartem Gestein (Quarz) von einem Meter und
mehr Durchmesser übereinander liegend angebracht. Während
der untere Stein festlag, drehte sich der -obere durch die Wasserkraft.
Das Getreide floss aus einem Trichter in eine kleine Öffnung
zwischen den Steinen und wurde zerrieben. Mehl und Kleie wurden
durch Rüttelsiebe und Tücher aus Seide getrennt und
in Kästen aufgefangen. Zum Schroten von Getreide für
Viehfutter waren meist noch zwei Mühlsteine vorhanden.
Mittels der genannten Eisenwelle übertrug sich die Kraft
und setzte die Mühlsteine und dgl. in Bewegung. Im Ziegelbachtal
gab es nur Mühlen mit oberschlägigen Wasserrädern.
Diese hatten einen Durchmesser von mindest vier Metern. Die
aufgebauten Schaufeln zum Aufnehmen des Wassers waren mindest
50 cm breit und 30 cm tief. Während allgemein die Wasserkraft
verschiedenartig genutzt wurde, z. B. Eisenhämmer, Sägewerke,
waren es im Ziegelbachtal mit einer Ausnahme nur Mahlmühlen,
das heißt, es wurde für die Bauern aus der Umgebung
das Mehl für das tägliche Brot gemahlen, eventuell
auch Getreideschrot zum Füttern. Manche Bauern brachten
ihr Getreide selbst zur Mühle, meist aber holte der Müller
das Getreide bei den Bauern ab und brachte das Mahlgut, Mehl
und Kleie, zurück.
Von 100 Pfund Getreide - meist Roggen - erhielt; der Bauer 65
Pfund Mehl und 15 Pfund Kleie. 15 Pfund rechnete der Müller
für Mahllohn - Mitzen genannt fünf Pfund für
Verluste (Verstaubung).
Die Mühlen lagen ja im Tal. Bergab konnte schwerer geladen
werden als bergauf. So hätte es das Gespann leichter, da
ja statt 100 Pfund bergab nur 80 Pfund bergauf zu liehen waren.
Zu den Mühlen im Ziegelbachtal.
Nach einer Federzeichnung von einer Flurbegehung der Schöffen
(Feldgeschworene) um 1577 waren es um diese Zeit im Ziegelbachtal
fünf Mühlen. Ein im Vermessungsamt Lohr vorliegender
Ortsplan von 1840/46 weist sechs Mühlen auf. Die letzte
Mühle vor der Mündung des Ziegelbaches in den Main,
wo noch ein Kellergewölbe vorhanden , ist - wurde erst
nach 1700. gebaut.
Die erste Mühle unterhalb Wiesenfeld - Obermühle genannt
- stand etwa 600 m oberhalb der Knoblachsmühle, rechts
am Hang. In dem im Vermessungsamt in Lohr vorliegenden Ortsplan
von 1840/46 ist die Mühle noch eingezeichnet, jedoch als
kleine Mühle. Diese wird wegen der noch geringen Wasserkraft
wenig leistungsfähig gewesen sein. Es wird erzählt:
Zuletzt wohnte nur noch der Müller allein in der Mühle,
Er hätte die Mühle angebrannt und vom Wald aus dem
Feuer zugeschaut. Als Feuerwehr und Polizei kamen, hätte
er gesagt: „Lasst doch das Mühlehe brennen, hab so
schon genug gegrinne (geweint)! Er sei dann in eine Nervenheilanstalt
gekommen. Das war so um 1850.
Wo der Wald links bis an den Bach vorspringt, ist rechts eine
Erhöhung in der Wiese, unterhalb dieser entspringt eine
starke Quelle, jetzt in den Bach eingeleitet. Da wird die Mühle
gestanden haben. Die zweite Mühle 1577 und noch 1846 Knoblachsmülhle.
genannt. Von dieser Mühle steht noch die Scheune. Diese
war landwirtschaftlich am günstigsten gelegen in schöner
sonniger Lage. Zur Mühle gehörten 12 ha landwirtschaftliche
Nutzfläche. Diese Mühle war Eigentum der Freiherrn
von Hutten in Steinbach, die ja in Wiesenfeld ein 150 ha großes
Gut besaßen und noch 40 ha Wald, wovon 36 ha im Tal gegenüber
der Kargesmühle lagen. Die Mühle samt Landwirtschaft
war verpachtet. Der letzte Pächter war Theodor Kohlhepp,
geboren in Rohrbach, war Gemeindeschäfer. in Halsbach und
pachtete 1903 dieses Anwesen. Er legte die Mühle still
und betrieb neben der Landwirtschaft eine eigene Schäferei.
1917 kaufte Kohlhepp in Rettersbach ein Bauerngut, behielt aber.
dieses Anwesen dabei. 1920 wurde Wohnhaus mit Mühle durch
die Hutten`sche Verwaltung abgebrochen. Der Sohn Hermann kaufte
1949 das gesamte Anwesen und bewirtschaftete es von Wiesenfeld
aus, wie schon zuvor- seit 1925.: Die gut erhaltene Scheune
'wurde als Schafscheune benutzt. Z. Zt. wird der größte
Teil der landwirtschaftlichen Nutzfläche als Schafweide
genutzt wird noch mit Getreide angebaut.
Die Kargesmühle im Ortsplan von 1846 so genannt, 1577 Gelsenmühle;
liegt links des Baches. Am Haus steht die Jahreszahl 1720. Das
Gebälk der Scheune Ist von der 1894 eingelegten Talmühle,
Zur Mühle gehören etwa zehn Hektar landwirtschaftliche
Nutzfläche, zusammenhängend in starker Hanglage und
schwer zu bewirtschaften, dazu noch im Tal mehrere Holzschläge.
Feld und Wiesen liegen größtenteils, der Wald ganz
auf Halsbacher Markung. Das Gehöft dagegen liegt fast ganz
auf Wiesenfelder Markung. Nach alten Urkunden bestanden dort
öfter Grenzstreitigkeiten wegen Gemarkungsgrenzen Halsbach/
Wiesenfeld. Es wird erzählt: Der frühere Mühlenbesitzer
war bankrott. Andreas Wiesner aus Schaippach war Knecht in Halsbach
Hs. Nr. 3. Er kaufte die Mühle vom Bankhaus Merger in Kitzingen,
Filiale in Karlstadt. Das war 1872. Seine erste Frau aus Hs.
Nr. 3 in Halsbach war kinderlos. Aus seiner zweiten Ehe (1902)
mit Margaretha, geb. Brückner, aus Halsbads Hs. Nr. 19
stammten zwei Söhne Otto, geb. 1903, und Josef, geb. 1904.
Die östlich des Baches gelegenen Wiesen kaufte Wiesner
noch dazu. Die Mühle war bis kurz nach dem ersten Weltkrieg
noch in Betrieb, Teile der Mühleneinrichtung sind noch
vorhanden.
Das Mühlrad hatte einen Durchmesser von fünf Metern,
die Schaufeln 50 cm breit und 30 cm tief. Die Mühlsteine
hatten einen Durchmesser von einen Meter, die Steine für
Schroten waren etwas schwächer. Die Mühle war für
die damalige Zeit gut eingerichtet. Mittels einer langen Welle
konnten mit Wasserkraft auch Maschinen im Hof angetrieben werden.
Nach dem Tod des Andreas Wiesner1920 führten die beiden
Söhne die Landwirtschaft weiter. Die Mühle wurde nur
noch für den Eigenbedarf benutzt, 1935 übernahm Josef
das Anwesen. Er kam vom Krieg nicht mehr heim. Dann führte
sein Bruder die Landwirtschaft. Im März 1948 wurde die
Mühle. von drei Polen überfallen. Otto hatte drei
Rippen gebrochen und schwere Kopfverletzungen. Er stellte sich
tot; da ließen die Polen ab und flüchteten, Noch
in der Nacht wurden sie in Harrbach an der Fähre, verhaftet.
Otto starb 1969. Seitdem betreiben die Frau des Josef Wiesner,
die kinderlos war, und die Frau des Otto Wiesner mit ihren vier
Kindern mühselig die Landwirtschaft. Wie lange noch?
Die Veitenmühle, 1577 Stiermühle, bei der Katasteranlegung
1840 Freitagsmühle genannt (die Namen der Mühlen wechselten
oft nach dem Namen des jeweiligen Eigentümers), wird erwähnt,
als 1084 das Kloster Hirsau den Berg Schönrain erwarb und
darauf ein Kloster (Prioriat) baute. Zur Mühle gehörten,
die umliegenden Felder und Wiesen, ca. fünf. ha, und 4,50
ha Wald. Um 1800 nannten sich die Besitzer der Mühle Freytag,
daher der Name der Mühle.
Die Karges- und Veitenmühle
Witwe, 1860/70 Michael Klühspies, 1884 Josef sind noch
bewohnt, der Mühlenbetrieb still
Schmitt, 1900 Josef Schmitt, 1920, Adalbert gelegt. Wie lange
wird es noch dauern, bis auch diese verschwinden. 18. Februar
1841. Die beiden ledigen Schwestern Barbara und Anna Maria -Freitag
verpfänden unter denn Heutagendem Ortsnachbar: Michael
Ebert dahier für ein Darlehen von. 11;,fl. ihre beiden,
Ziegen.
Unterschriften: Gemeindevorsteher Riedmann, Schreiber, Behringer.
Standesamt: Der Müller Josef Schmitt; geb. 2 Juli. 1856
zu Schönau, heiratet die Maria
Klühspies, geb. 10: August. 1851 in der Veittenmühle.
Josef Wohlfahrt kaufte 1924 das gesamte Anwesen von Adalbert
Schnitt, Sein Vater Josef Schmitt stammte ans Schönau.
:Er bekam die Mühle durch Einheirat. Wohlfahrt hatte die
Mühle modernisiert, baute statt dem Mühlrad eine Turbine
ein. Die Mühle brannte 1931 ab, wurde wieder aufgebaut.
Die Mühle war bis, 1961 in Betrieb. Der Sohn Franz Wohlfaht
hatte sie übernommen. Franz Wohlfahrt verunglückte
im Januar 1961 mit seinem Wagen (Auto) am Steinbacher Berg tödlich.
Seitdem steht die Mühle still. Die Witwe Agnes Wohlfahrt
betreibt wohl eine kleine Landwirtschaft: leidlich weiter. Auch
diese Grundstücke sind' schwer zu bewirtschaften. Eine
landwirtschaftl. Abfindungsbrennerei bringt noch eine Nebeneinnahme.
Weiter unten im Tal, unterhalb des Schönrains, standen
noch zwei Mühlen, die Ziegelmühle, zuletzt Heppelsmühle,
und die Thalmühle, zuletzt Betzenmühle genannt.
Die Äcker dieser Mühlen waren gegenüber am
Osthang des Talbergwaldes, heute mit Wald bepflanzt. Beide
Mühlen samt allen Grundbesitz kaufte Baron von Hutten
in Steinbach und ließ diese um 1894 einlegen, angeblich
wegen der starken Wilderei. '
Die Heppelsmühle 1577 und später Ziegelmühle
genannt, wurde gleich der Stiermühle ebenfalls beim Erwerb
des Berges Schonrain 1084 erwähnt, Die Mühle lag
südlich des Schönrain-Berges, das Triebwasser zur
Mühle wurde bei der Quelle zur heutigen Wasserleitung
in Halsbach im Graben den Wald entlang zugeleitet. An Namen
der Eigentümer der Mühle sind noch Fischer, zuletzt
Mehling und Heppel bekannt.
Nach Berichten aus dieser Zeit soll die Mühle in schlechtem
baulichen Zustand gewesen sein, die Eigentümer finanziell
schlecht gestellt, wie Berichte aus Armenpflegschafts und
Gemeindeausschußsitzungen bestätigen.
Nach einem Sitzungsprotokoll von 1886 hatte Peter Heppel der
Gemeinde Halsbach die Mühle zum Kauf angeboten. Wegen
Überschuldung dieser Mühle lehnte der Gemeindeausschuss
den Kauf ab.
Die letzte Mühle, die Thalmühle, stand südlich
des Schönrainberges, wo noch ein Kellergewölbe vorhanden
ist. Diese Mühle wurde erst nach 1700 gebaut. Soviel
aus Urkunden zu entnehmen ist, hat die Mühle ein Freidach,
gebaut wohl aus der Veitenmühle - damals Freitagsmühle
- stammend. Diese Freitags sollen sehr wohlhabend gewesen
sein. Interessant ist, dass ein Knecht der Thalmühle
geheiratet hat und trotzdem als Knecht mit höherem Lohn
behalten wurde, was um diese Zeit sel ten war. Das Mühlanwesen
soll noch bei sei Einlegung 1894 ein stattliches Gehöft
gewesen sein. Nach einer Urkunde im Halsbaches 'Weisbuch von
1693 vom .16. Juli 1748 beschwerte sich der Besitzer der Ziegelmühte
über die Konkurrenz dieser Neumühle, das Vereinbarungen
nicht gehalten würden. So entschied nach vergeblicher
Warnung der Fürstbischof von Würzburg . mit Erlass
, vom 16. Juli ; 748, dass das Mahlrecht in der Umgebung dem
Ziegelmüller zusteht; der Thalmüller - Neumüller
genannt - solle sich Landschaft woanders suchen.
Ein Vetter aus Neuendorf erzählte in meiner Jugend,
etwa 1908/I0: 'Die Betzemühle - so genannt, weil deren
Eigentümer Betz hieß, war eine Gipsmühle.
Die Steine kamen mit dem Schiff aus Wernfeld-Sachsenheim,
wo ebenfalls eine Gipsmühle war. Die Mühle hatte
eine eigene Laderampe und eigenen Zugang zum Main - Gipsrutsche
genannt - wo die Steine ausgeladen und der gemahlene Gips
eingeladen wurde."
Der: gemahlene Gips - schwefelsaurer Kalk - wurde wohl damals
unter anderem auch als Düngemittel, besonders bei Klee
verwendet. Der Erfinder des Blitzableiters Benjamin Franklin
- 1706-1790 in Nordamerika - war nebenbei ein fortschrittlicher
Landwirt. Um den Farmern zu beweisen, daß Gips eine
gute Düngerwirkung hat, streute er auf seinem an, der
Straße gelegenen mit Klee bestellten Acker Gips in mannsgroßen
Buchstaben „Hier ist gegipst". An den dunklen Streifen
mit auffallend besseren Bestand sah man die Wirkung. Das war
um diese Zeit. So 'wurde in früheren Zeiten die Wässerkraft
des Ziegelbaches voll genutzt, vor allem zur Versorgung der
Bewohner der umliegenden Dörfer mit Mehl. Die Wasserführung
des Baches war nicht sehr stark. In anhaltenden Trockenzeiten
reichte manchmal die Wasserkraft, nicht zum Antrieb des Mühlrades.
So musste bei stärkerer Wasserführung auf Reserve
gemahlen werden.
Wie überall durch Entwicklung der Technik hat sich auch
hier alles geändert. Von den sechs Mühlen sind zwei
ganz verschwunden, die Obermühle und die Ziegelmühle,
Von der KriobIachsmühle steht noch die Scheune, von der
Thalmühle ist noch ein Kellergewölbe vorhanden.
Die Karges und Veitenmühle sind noch bewohnt, der Mühlenbetrieb
stillgelegt. Wie lange wird es noch dauern, bis auch diese
verschwinden, wenn diese nicht für andere Zwecke - Fremdenpension,
Weide für Schaf- oder Ponnyhaltung genutzt werden.
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