Wo lag die Villa Spurcaha ?
     
Die villa Spurcaha bzw. Spurca wird zum ersten Mal genannt in der Urkunde des Bischofs Embrico vom 28. Februar 1139 (WSTA Rep. Kl. Hirsau).

Dort wird gesagt, dass sie im Besitz des Grafen Berthold (wohl von Henneberg) war und dass die Bewohner derselben den Mönchen von Schönrain auf ihrem Wege zur Mainfähre Schwierigkeiten bereiteten.

Die 2. Erwähnung geschieht in der Urkunde vom Jahre 1159 o. T. (HSTM Mainz Ne. 29).


Darin vertauschen die Schönrainer Mönche ihre Besitzungen in Wiesenfeld, Ziegenbach, Massenbuch, Werinfeld, Karoldesbach, Hessdorf, Sifriedesburg und Rezibach gegen die Orte Spurcaha und Hovestete, welche Graf Ludwig von Rieneck von Würzburg zu Lehen hatte. Hier erscheint die villa unter dem älteren, also ursprüngliehen Namen Spurcaha. Förstemann (Altdeutsches Namensbuch II S. 844) leitet denselben ab von sporkel und erklärt mit Faulwasser, träge dahinfließendes, versumpftes Wasser (siehe auch Faulbach unterhalb Wertheim!). Hörnis Kraus (Die Ruine Schönrain bei Gemünden AU XXV 1881 S. 464) deutet mit „Februarwasser", eine Bezeichnung, die gar nicht zu der üblichen Benennung von Gewässern passt. Soll es etwa bedeuten, dass der Bach nur im Februar floss, wenn der Schnee schmolz, und dann versiegte?
Eine 3. Möglichkeit bietet Vollmann (Flurnamensammlung S. 30 f.). Er geht aus vom ahd. Sporah .= Wacholder, was in den Namen Spork, Spörchat, Spörtiveiher überliefert ist. Das Bächlein wäre also nach dem dort wachsenden Wacholder benannt, was immer-hin möglich wäre. Ich komme später noch auf diese Lesart zurück. Dass mit Spurcaha nicht der bei Schönrain in den Main mündende Bach gemeint ist, scheint mir sicher, da dieser seit alters Ziegenbach heisst. Bevor ich mich weiter mit der Lage von Spurca auseinandersetze, ein Wort zu der Bedeutung des Wortes villa. Ursprünglich bezeichnete es einen Hof, ein Landgut, eine villa rustica, später steht es für Dorf. Im Jahre 1296 werden Velden und Bretzolden als villulae bezeichnet, wo es nur Dörflein heissen kann. In der Urkunde von 1159 werden Hofstetten und Spurca in gleicher Weise als villae bezeichnet. Da Hofstetten schon dem Namen nach nicht viel mehr als ein Hof gewesen sein kann, dürfen wir das gleiche auch von Spurca annehmen. Höchstens ein Hof könnte, wie die meisten annehmen, am Fusse des Schönrains gelegen sein, wobei noch die Frage offen bleibt, wo die zum Hof gehörenden Felder zu suchen wären. Dass Spurca am Fusse des Schönrains lag, wird von Hörnis/Kraus, Fraundorfer P. J. (Das Territorium des Hochstiftes Würzburg Diss. Wzbg. 1923) angenommen. Dr. W. Weigand (Das Priorat Schönrain S. 34) schliesst sich ihrer Meinung an.
P. Benvenut Stengele im „Kalender für katholische Christen" 1902 Seite 105 versteht unter Spurca die zwischen Schönrain und dem Salzberg liegende Mühle (die Veitenmühle), die aber von den Mönchen auf ihrem Weg zum Main gar nicht berührt wurde.

Nur Dr. F. Stein (Die Reichslande Rieneck S. 60) vermutet Spurca in der Nähe von Hofstetten. Seiner Meinung möchte ich beitreten und zwar aus folgenden Gründen: Schönrain besass wohl von Anfang an Besitzungen auf dem rechten Mainufer in Eigelmanneswert (auf Prozelter Gemarkung). aus denen es dann im Jahre 1139 dem Grafen Berthold 12 Morgen abtritt für einen Weg an die (Überfahrt. Dieser Weg war also für die Mönche sehr wichtig, zumal sie ja, wie allgemein angenommen wird, auch die rechtsmainischen Orte wie Neuendorf, Langenprozelten und Gemünden, die von der Mutterkirche Wiesenfeld einige Wegstunden entfernt waren, seelsorgerisch zu betreuen hatten. Wie aber verlief der Weg an die Mainfähre bei Hofstetten? Ich möchte sagen: genau so wie heute, nämlich am Berghang entlang, sich allmählich in das ebene Gelände senkend, das er etwa am Campingplatz erreichte, wo auch der Wald endet. Ist diese Annahme richtig, dann konnten die Mönche den am Fuss des Schönrains liegenden Ort Spurca gar nicht berühren. Dass die Mönche nicht unmittelbar am Ufer entlang gingen, erklärt sich m. E. aus zwei Gründen: einmal floss der Main mit einer südlichen Ader, die etwa um 1600 versandete, viel näher an Hofstetten vorbei. Erst mit der Versandung der Mainader kam die ehemalige Maininsel zum Südufer, das nun in weitem Bogen den Main selbst gegen Norden drückte. Bei Grabungen am Campingplatz stiess man in geringer Tiefe auf Sand und Geröll, das zweifellos vom Main angeschwemmt wurde. Zum anderen: warum hätten die Mönche den Weg am Main entlang wählen sollen, der wesentlich länger ist? Ich bin also, wie schon gesagt, der Meinung, dass sie den Mainbogen westlich Hofstetten abschnitten und etwa da gingen, wo man auch heute von Schönrain nach Hofstetten geht. Wo lag demnach die villa Spurca? Offensichtlich auf diesem Wege, und zwar, wie Dr. Stein vermutet, nicht allzuweit von Hofstetten entfernt, etwa da, wo der Weg den Wald verlässt, nämlich in der Nähe des Campingplatzes. Das Gelände dort ist, wie leicht festzustellen, besonders sandig, wie schon das dort wuchernde Heidekraut andeutet. Wo aber Heidekraut wächst, ist meist auch der Wacholder daheim (siehe auch die Lüneburger Heide!).
Wenn an dieser Stelle jemals ein Bächlein floss,dann sicherlich nur ein spärliches Rinnsal, das im Laufe der Zeit versiegte. Auch bei vielen anderen Ortsnamen, die nach einem Bache genannt sind, findet sich heute kaum eine Spur eines Wasserlaufes. Höchstens dass bei der Schneeschmelze oder starken Regenfällen ein vorübergehendes Wildwasser den ehemaligen Bachlauf kennzeichnet. Das gleiche war wohl auch bei spurca der Fall. Andererseits gab es keine Siedlung ohne Wasser. War kein Bach vorhanden, dann wenigstens eine Quelle, wie zum Beispiel in Langenprozelten, oder man musste einen Brunnen graben. Nun hat man wiederum bei Erdbewegungen auf dem Campingplatz festgestellt, dass an einer Stelle der Boden sehr wasserhaltig, ja beinahe sumpfig ist. Man brauchte also nicht allzu tief zu bohren, um auf Wasser zu stossen, abgesehen davon, dass auch das Grundwasser des Maines leicht zu erreichen war.


Nun wurde bei Planierungsarbeiten im südwestlichen Teil des Campingplatzes ein Stück Mauer von etwa drei Meter Länge und einen halben Meter höhe freigelegt. Mörtelspuren deuten darauf hin, dass es sich nicht um eine Trockenmauer handelt, wie sie etwa in Weinbergen anzulegen pflegt. Dass dieses Stück Mauer erhalten blieb, während der weitere Verlauf derslben wohl vom Pflug eingeebnet wurde, erklärt sich daraus, dass sie am Ende einer von Bauernhänden geschaffenen Steinhalde lag, die dem Pflug Einhalt gebot. Es ist anzunehmen, dass der Spaten, hier angesetzt, noch weitere Mauerreste zu Tage fördern würde.


Im Jahre 1159 wurde Spurca Eigentum der Mönche von Schönrain. Von da an taucht der Name nicht mehr auf. Was liegt näher, als dass man den Hof, der nur zehn Minuten vom Schönrainer Klosterhof in Hofstetten (nördlich der Kirche) entfernt lag, eingehen liess, zumal das sandige Gelände für die Landwirtschaft wenig ertragreich war.

Aus der Urkunde von 1139 und 1159 lässt sich noch ein anderes erkennen. Im Jahre 1139 war Spurca im Besitz des Grafen Berthold als würzburgisches Lehen. Vermittelt wurde der damalige Tausch durch den Grafen Gerhard, der ohne Zweifel dem Hause Rieneck angehörte. Im Jahre 1159 aber besitzt Graf Ludwig von Rieneck Hovestete und Spurcaha als würzburgisches Lehen. Zwischen 1139 und 1159 ist also ein Besitzwechsel eingetreten. Es darf wohl angenommen werden, dass in dieser Zeit die Grafen von Rieneck die Reste der Schaippacher Königsmark erwarben und die Herrschaft Rieneck begründeten. Wenige Jahre später (1170) wird das Gastrum Rienecke zum ersten Male genannt, der Herrschaftssitz der Grafen für vier Jahrhunderte.




Von Studienprofessor Hermann Betz, Miltenberg.